Jahreskreis, Ritual & Brauchtum

Rauhnachtsbekenntnis zu Lichtmess: Ich wünsche mir den Ehrgeiz eines Baumes

Der Jahreswechsel – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2021. Dies sind die Abenteuer der Menschen, die unterwegs sind, neue Vorstze zu fassen und alte Probleme zurückzulassen. Viele Monate später liegen diese Vorsätze in Schubladen, die nie ein Mensch wieder öffnen wird.

Der Jahreswechsel ist die Zeit im Jahr wo man all das, was man verpasst, falsch gemacht und hätte tun sollen unter den Teppich kehrt und sich neue Bürden, To-Dos und Wünsche aufhalst, in der Hoffnung, dass sich auf wundersame Weise etwas geändert hat und man es DIESES JAHR GANZ BESTIMMT  erfolgreich schafft.

Am Ende passiert das Gleiche, wie in den Jahren zuvor.
Auch das ist ein Ritual, ein „überliefertes Brauchtum“. Womit klar ist, dass nicht jedes Ritual, jeder Brauch gut, hilfreich und sinnvoll ist. Aber dennoch wird diese Tradition am Leben gehalten, alle Jahre wieder, und das Scheitern der, ins neue Jahr gesetzten, Erwartungen ein paar Wochen oder Monate später, gehört ebenso dazu.

Eine besonderes Lehrbeispiel, wie sich zusätzlich äußere Umstände in die Neujahrsvorsatzplanung einmischen, um selbige zu kontaminieren, hat uns das Jahr 2020 geliefert. Eine Pandemie und mehrere Lockdowns haben dafür gesorgt, dass wir unsere wunderbare 2020er Planung recht früh im Jahr in die Tonne treten durften.
Nun ist dieses außergewöhnliche Jahr Geschichte, wurde mit großem Pomp und Trara verabschiedet, und das funkelnagelneue 21er Jahr bekam schon ab Herbst so viel an Wünschen, Versprechen, Hoffnungen aufgehalst, das man ein Jahrzehnt braucht, um nur die ersten 10% davon abzuarbeiten.

Jedes Jahr das gleiche Spiel.
Jedes Jahr die gleichen Enttäuschungen – dem Jahr gegenüber, den anderen gegenüber, sich selbst gegenüber.

„Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“

… sollte mittlerweile jedem bekannt sein.
Oder:

„Wer die Götter zum Lachen bringen will, der erzählt von seinen Plänen“

… und auch sehr wichtig:

„Perfektion verärgert die Götter – und wer will das schon?“

Alles wunderbare, weise, alt bekannte Sprüche, die man sich an den Spiegel kleben sollte, damit man tagtäglich daran erinnert wird, beim Zähneputzen. Das wäre mal eine wirklich gute, realistische und vorsorgende Mentalhygiene.

Zu Weihnachten 2020 hatte ich das Gefühl, dass jeder in meinem Umfeld und in meiner Social-Media-Bubble sich ganz besonders intensiv mit dem Loslassen und neu-Wünschen beschäftigte, und zwar in einer ganz speziellen, überlieferten und neu interpretierten Weise: Die Menschen haben die Rauhnächte (wieder) entdeckt.

Vor ein paar Jahren waren die Beiträge und Infos zu den Rauhnächten noch exotisches Geschichtsnerdwissen. Das Umsetzen der Rituale war den Hardcore-EsoterikerInnen vorbehalten, wurde mehr oder weniger belächelt und museal stigmatisiert. Seit 2-3 Jahren aber wird pünktlich Ende November zum Rauhnachtsretreat aufgerufen: real und online, im Workshop-Stil, mit umfassender Literatur und Anleitung, unter Supervision und mit sehr genau vorgegeben Abläufen, Peer-Groups und 2020/21 mit intensiven Zoom-Durchhaltemeetings.

Es ist schlicht überwältigend und wer es da trotzdem nicht schafft, sich phänomenal perfekt durch die Rauhnachtszeit zu hanteln, kann ein Einzelcoaching buchen, wo einem die Waden auf rauhnächtlichen Erfolg getrimmt werden.

Am Ende des Ganzen wird dann noch ein Vision-Board für das neue Jahr geschmiedet, dass einen tagtäglich daran erinnern wird, welche Pläne, Wünsche und Vorhaben man sich für die kommenden 12 Monate vorgenommen hat. Für die Umsetzung dieser Visionen gibt es eigene Peergroups, Coachings, Mental-Meetings und Durchhaltetrainings.

Es ist super, ernsthaft, und ich finde es toll, dass man sich nun wieder mit den alten Bräuchen beschäftigt, sie frisch entdeckt und für sich zu nutzen versucht. Ich habe aber zunehmend den Eindruck, dass man zwar den Titel und groben Inhalt dieser alten Bräuche übernimmt, sie aber einfach nur als Angebotsfutter in ein neues Setting setzt, um ein weiteres tolles Coachingprodukt im Portfolio zu haben, und dabei die Seele des Ganzen schlichtweg nicht mitnimmt.

Das beginnt beim Datum: Jeder Rauhnachts-Event-Retreat-Workshop hat andere Zeiten, wo gestartet und geendet wird, und diese werden teils vehement verfechtet. Weil es ja nur eine Wahrheit gibt.
Wer sich mit der Geschichte dieser besonderen Zeit beschäftigt weiß, dass es nicht so einfach ist zu definieren, wann die Rauhnächte beginnen und wann sie enden. Weil der Kalender ein „modernes“ Konstrukt ist und der heutige Jahreskreis durch die christliche Kirche geprägt ist, die die alten Bräuche großteils vereinnahmt und umgedeutet hat. Dann kam noch eine Kalenderreform hinzu, die dazu geführt hat, das das Fest von Christi Geburt nicht mehr zur Wintersonnenwende, sondern ein paar Tage danach gefeiert wird, womit sich alles Überlieferte verschoben hat und neu geordnet werden musste. (siehe Geschichte und Ursprung von Weihnachten und Wintersonnenwende)

Die Dauer der Rauhnachtszeit ist ebenso unterschiedlich wie deren Anfang und Ende. Zusätzlich kann man noch Mond-Schwerpunkte mit hineinlegen, astrologische Fokussierungen und energetische Ausrichtungen in jedweder Hinsicht. Das wäre mal nur rund um die zeitliche Bestimmung. Beim Inhalt, also bei dem was man tun und nicht tun sollte, wird es dann besonders kreativ. Da wird gewünscht, meditiert, ritualisiert, visualisiert und und und – es ist schier unglaublich, welche Ideen auf diesem uralten Brauch gewachsen sind. Allerdings führen die strikten Vorgaben in manch gebuchtem Angebot fallweise soweit, dass verunsicherte TeilnehmerInnen in ihrer Social-Media-Bubble ängstlich fragen, ob sie die vorgeschriebene Wunscherfüllung der 13. Rauhnacht, um die sie sich laut Workshop-Direktive selbst zu kümmern haben, mit anderen teilen dürfen, oder ob dann die 12 vorher geäußerten Wünsche und der 13. besonders unwirksam werden. Und viele fragen ängstlich, wie das nun mit dem Wäschewaschen sei, das man in den Rauhnächten tunlichst unterlassen MUSS, da sonst ganz unsagbar Furchtbares geschieht.

Diese Direktive, dass in den Rauhnächten keine Wäsche auf der Leine sein darf, habe ich auch von meiner Oma und meiner Mutter so mitbekommen. Als Teenager habe ich in der Weihnachtsnacht vorsorglich sogar die Handtücher im Bad abgehängt, damit nur ja nichts, was man als „Wäsche“ bezeichnen könnte, als „aufgehängt“ betrachtet werden kann. Denn die Percht sieht ja bei jedem Fenster rein und urteilt dann, ob sie einen mit Glück oder Strafe segnet.
Die schrecklichste Drohung, im Fall das man sich nicht daran hält war und ist die, dass es einen Todesfall in der Familie gibt, wenn man sich nicht an die keine-Wäsche-zwischen-Weihnacht-und-Neujahr-Regel hält. Diese Erklärung hat mir als Teenie einige schlaflose Nächte beschert.

Als junge Mutter mit zwei Kleinkindern war mir dann schnell klar, dass es vollkommen unmöglich ist, in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche zu waschen. Da wusste ich allerdings bereits, dass sich dieser Teil des Rauhnachtsbrauchtums auf die früheren Zeiten bezog, als Wäsche waschen ein ungemein anstrengendes Unterfangen war, das mit schwerer körperlicher Arbeit gleichzusetzen war und das man nicht mal eben schnell zwischendurch erledigte.

Das heutige, passende Äquivalent wäre demnach alles, was man mit Arbeit verbindet, die nicht zwingend zur Lebenserhaltung zu erfolgen hat und nun ruhen darf. Denn es geht schlicht darum, in dieser Zeit zur Ruhe zu kommen, damit sich Körper und Geist erholen können in der energetischen Ruhezeit des Jahreszyklus. Welche Arbeiten eingestellt werden sollen, um das zu erreichen, muss man jedoch selbst entscheiden.

Wir sind eine strikte, vorschriftsmäßige, mit Regeln überbetütelte Gesellschaft geworden. Ohne genaue Regeln, genaue Erklärungen und vor allem ohne exakte Befolgung dieser Vorgaben haben wir das Gefühl in einen bodenlosen Raum zu fallen, fühlen uns unsicher, wenn nicht gar schuldig, und entfernen uns immer weiter weg von unserer natürlichen, Lebens-Intuition. Es fehlt zunehmend der Mut zum selbst Denken, selbst Entscheiden, sich selbst vertrauen und aktiv Verantwortung übernehmen. Wir sind auch eine Versicherungs-Gesellschaft, die darauf vertraut, dass ein anderer (oder eine Firma) die Verantwortung übernimmt, für ein gutes Ende sorgt oder ein Netz bereit hält, das uns sicher auffängt und vor Schaden bewahrt. Damit haben wir uns weit weg von dem entfernt, was man „gesunder Menschenverstand“ nennt. Und es ist die denkbar schlechteste Einstellung, wenn man sich an das Feiern von Ritualen macht, die eine tiefe energetische Wirkung haben sollen.

Ich habe in meinem Leben unzählige Rituale geleitet, entwickelt, durchgeführt und ich glaube kein einziges hat sich an meinen vorweg angedachten Ablauf gehalten. Egal in welchem Setting: es kommt immer anders, es ergeben sich immer spontan neue Optionen, es passieren immer wieder Dinge, auf die man intuitiv reagieren muss und die man nicht ignorieren kann, ohne das gesamte Gefüge zu belasten. Es ist ein Spiel, auf das man sich mit dem Urvertrauen eines Kindes einlässt, um ganz im Tun aufzugehen, ohne stoisch an einem Regelwerk festzuhalten.
Ein Ritual-Rahmen bietet im besten Fall unterstützende Hilfe und sorgt dafür, dass man einen guten Start- und Endpunkt hat, ein geweihtes Gefüge, in dem man sich wie in einem heiligen Raum bewegen kann. Was dann zwischen Anfang und Ende passiert ist, immer ungewiss und gerade deshalb hilfreich, aktivierend und lebendig. Fallweise ist es auch gefährlich, weil man eben in Kontakt mit der Essenz des Lebens kommt und eigenverantwortlich damit umgehen muss, auch mit den Folgen.
Ein starres Herunterbeten vorgegebener Abläufe, kann man auch gleich sein lassen. Das ist kein Ritual, sondern eine Checklistenprüfung, die beim Start eines Flugzeugs oder beim Koffer packen Sinn macht. Aber nicht wenn es um ein lebendiges Ritual geht, wo man sich auf mentaler, seelischer und energetischer Ebene bewegt und etwas bewegen will.

Der Kernpunkt aller Rituale ist die eigene Intuition, der man vertrauen muss oder der man lernen muss zu vertrauen, damit sie wachsen kann und man eine Lebensgefährtin an seiner Seite hat, mit der man sicher durch die guten und schlechten Zeiten des Seins marschiert. Zwar gibt es auch dann jede Menge Stolpersteine und ungeplante Vorfälle, Wegänderungen, Katastrophen und Glücksmomente. Aber man bleibt flexibel und kann im besten Fall leichtfüßig über Fallgruben steigen, um sich bei den schönen Plätzen eine situativ längere Pause zu gönnen. Das ist ja vielleicht auch der Sinn des Ganzen, speziell dessen, was man „Leben“ nennt.

Zur Erinnerung: Was sind die Rauhnächte und was muss man da tun?

Wir sind im Jahreskreis zwar nun schon beim dritten Fest angelangt, dieser Beitrag erscheint kurz vor Lichtmess/Imbolc. Aber weil es mir wichtig ist, nochmal zusammenfassend eine kleine Erinnerung für alle, die vielleicht noch nicht fertig sind, mit ihrem Rauhnachtsretreatarbeiten und deswegen möglicherweise ein schlechtes Gewissen haben. Zudem ist es auch für die Lichtmess-Imbolc Qualität hilfreich, denn da geht es ja um den ersten Schritt der Umsetzung dessen, was man sich für heuer vorgenommen bzw. in den Rauhnächten herbei geträumt hat.

  • Die Rauhnächte sind eine Zeit, die dazu aufruft, sich in die innere und äußere Ruhe zu begeben.
  • Sie beginnen je nach persönlichem Wunsch und Orientierung rund um die Wintersonnenwende, die am 21./22. Dezember ist, oder am 24. Dezember oder am letzten Vollmond des Jahres.
  • Sie enden, je nachdem wie man es gerne hätte, entweder um den 6. Jänner herum oder beim ersten Neumond, der auf die Sonnenwende folgt oder einfach am 12-13 Tag, nachdem man begonnen hat.
  • Es sind 12, 13 oder mehr Nächte, je nachdem wie man sie zählen mag.
  • Es gibt Tage/Nächte, denen man bestimmte Qualitäten zuordnet, die eine andere Gewichtung haben können als andere, wie zum Beispiel die Thomasnacht (21.12.), die Mutternacht, der Hlg. Abend (24-25.12), die Silvesternacht, die Nacht auf den 6.01. …
    Oder man feiert jede Nacht als eine besondere und sieht sie alle als gleich wichtig an.
  • Man kann die Rauhnächte auch auf 24-25 oder mehr ausdehnen und die ersten 12 für das Loslassen des alten Jahres nehmen, die dazwischen als Ruhetage und die letzten 12 als Visionstage für das kommende Jahr sehen. Damit hat man dann vor den eigentlichen Rauhnächten die sog. Sperrnächte, wo das alte Jahr abgeschlossen (weggesperrt) wird und man zwischen den Jahren die von der Natur empfohlene Stillen einhält, damit man aus dieser Ruhephase heraus sanft in das Neue startet.
  • Oder man kann sich schlicht an die kurze Version der 12 Nächten zwischen Weihnachten und Hlg. 3-König halten, wo man einer alten Überlieferung zufolge das träumt, was im kommenden Jahr geschehen wird.

Und nun zu dem, was man in diesen Nächten tun MUSS:

  • Was man in diesen Tagen erlebt kann man aufschreiben oder auch nicht.
  • Dazu kann man Karten ziehen, Orakel befragen, Morgenseiten schreiben, meditieren, trommel und rasseln, schamanisch reisen … oder auch nicht.
  • Man kann auf Vision-Quest gehen, Ritualwanderungen zu jedem Tag/Monat machen, täglich oder nur einmal räuchern, energetisch reinigen – oder NICHTS davon machen.

Du siehst: es gibt keine fixe Regelung, die man beachten MUSS – denn der Sinn des Ganzen ist, dass man sich diese Zeit und ihre Qualität bewusst macht, eintaucht in den Jahreskreisstrom und eigenverantwortlich entscheidet, wie man sich dieser Zeit stellt.

Dem Jahr ist es vollkommen egal, ob du die Rauhnächte feierst, in welcher Form du sie begehst, ob du sie auslässt oder schlicht vergisst. Der Natur ist es genauso gleichgültig und unsere Mutter Erde wird gleichfalls nicht stehenbleiben, wenn du nichts tust, oder sich freudiger drehen, wenn du dich an alle Vorgaben deines Rauhnachtsworkshops haltest und ein paar Extra-Zoom-Runden drehst.

Ich behaupte sogar, dass es dem Schicksal im großen und ganzen egal ist, ob du versuchst es mit deinem Vision-Board zu beeindrucken. Und ich liebe Vision-Boards, weil sie mir persönlich helfen meinen Fokus zu finden und im besten Fall Mut machen, sich seinen Wünschen zu stellen.
Die wirklich großen Schicksalpunkte in unserem Leben kommen, je nach Glaubens/Lebenseinstellung, von unserem Karma, unserem (von uns möglicherweise im Vorleben festgelegten) Lebensplan, den Göttinnen oder Göttern (je nach Konfession und Ausrichtung), den Sternen, der alten Mutter Zufall oder anderen Entitäten, die sich vermutlich weder von unseren Wünschen oder Ideen, noch vom Tun beeinflussen lassen.

Oder hat irgendwer gewusst, geplant, erwartet, dass wir die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts im Lockdown verbringen, weil ein Virus die Welt lahm legt und unsere geplanten Ideen für dieses Jahr durcheinander wirbelt?
Mag sein, dass manche/r eine drohende Gefahr oder Wende gespürt hat. Aber mehr war da nicht wahrzunehmen. Als ich mir meine eigenen Rauhnachtsaufzeichungen von 2019/20 angesehen habe, habe ich rückblickend einige sehr eindeutige Hinweise heraus gelesen. Die ich damals allesamt komplett falsch interpretiert habe und die mir in – wie man so schön sagt – „keinster“ Weise auch nur einen Hauch von dem erzählt haben, was im Endeffekt dann passiert ist. Lediglich die emotionale Stimmung hat perfekt gepasst, wie die berühmte Faust aufs Aug. Aber wem diese Faust gehört und warum sie auf meinem Auge gelandet ist, habe ich erst in dem Moment erkannt, als es passiert ist.

Ein Wunsch und kein Vorsatz

Was die Sache mit den Vorsätzen, Wünsche und Visionen für das kommende Jahr betrifft, habe ich 2020 eine wichtige Lektion gelernt: Ich pfeif drauf. Voll und ganz.

Wenn ich mir etwas wünsche, dann etwas, wo ich oder wer anderes etwas zur Erfüllung beitragen kann oder etwas, das sich bitte ergeben soll, wenn es um „Schicksals- und Hoffnungswünsche“ geht – ich schicke sie quasi ins Universum und vertraue darauf, dass das Beste für mich und das große Ganze geschieht. Aber ich habe keine „von diesem Jahr wünsche/fordere/visualisiere ich mir die Erfüllung von … xyz“-Wünsche.

Mein Visionboard für 2020 konnte ich im Februar kübeln und für 2021 kam in den Rauhnächten die Erkenntnis sprichwörtlich im Schlaf: Ich brauche keines. Ohne wird mein Jahresstart deutlich entspannter und als ich das erkannt habe, wurde plötzlich vieles leichter.
Wohlgemerkt: Das ist MEINE Lösung! Auch wenn sie zur Zeit (Ende Jänner) wunderbar klappt und ich sehr entspannt und zufrieden damit bin, kann das bei dir komplett anders sein.

Ich neige dazu mir selbst ungeheuer viel Druck zu machen, tendiere zur extremen Perfektion und versuche mir zusätzlich zu meinen recht zahlreichen Herausforderungen auch noch die Lösung der Probleme anderer umzuhängen. Meist mit gutem Erfolg (was das Übernehmen der Probleme betrifft) und anschließendem akutem Erschöpfungszustand (nach Erledigung der Aufgaben). Es gibt entspanntere Lebenseinstellungen. Ansonsten bin ich der Typ Mensch, der ganz wunderbar organisieren und planen kann, Listen mit allem möglichen erstellt und sich damit gerne selbst überfordert.

Mein Rauhnachtsretreat 2020/21 dauerte von der Wintersonnenwende bis zum ersten Neumond im neuen Jahr. Und es ging dabei so gut wie nur darum Ruhe zu finden und die Belastung des alten Jahres (und seiner Vorgänger) loszulassen, mit ihnen Frieden zu schließen, sie abzulegen. Für das „Eintauchen in die Energie des Neuen“ fehlte mir jedwede Ambition und Kraft. Die Zeit war mir gefühlt zu kurz und ich glaube, ich brauche noch immer ein paar Wochen, bis ich voll und ganz im neuen Jahr gelandet sein will. Insofern wird mein Lichtmess-Imbolc-Brigid Ritual heuer ein sehr stilles, sanftes und gemütliches werden.

Das einzige, was sich mir für das kommende Jahr klar dargestellt hat, intensiv auf allen spürbaren Ebenen: Ich wünsche mir den Ehrgeiz eines Baumes. Ein seltsam klingender Wunsch, der plötzlich da war und ich war sehr erstaunt, als er plötzlich aufgetaucht ist. Besonders weil er sich so sanft und zugleich so kraftvoll angespürt hat, tröstend und zugleich ermutigend. Und so sehr meins, als hätte er schon lange im Hintergrund darauf gewartet, von mir zur Kenntnis genommen zu werden.

Ich gestehe, dass ich keine Ahnung habe, ob Bäume so etwas wie Lebens/Jahresplanung betreiben. Ob sie sich Visionboards erstellen, Wunschlisten schreiben oder sich Ziele für das Jahr, das Leben, die nächste Zeit visualisieren. Aber ich vermute, dass ihnen in dieser Hinsicht jedweder Ehrgeiz fehlt und sie sich dafür auf das wirklich Wesentliche konzentrieren:

  • Zu leben, ohne sich vor einem möglichen Sturm, Trockenheit oder der Motorsäge zu fürchten – weil man deren Kommen nicht ahnen kann und sich ein globales Zittern davor erübrigt. Denn, wie es meine weisen Großmütter und Mütter immer gesagt haben: „Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben“.
  • Zu wachsen, in dem Rahmen und mit den Ressourcen, die zu diesem Zeitpunkt möglich sind und zur Verfügung stehen. Nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade so, dass der Haushalt ausgewogen ist und man gut durch die Zeit kommt. Biegsam im Sturm, zugleich stark verwurzelt.
  • Zu sein und das genießen, wertschätzen, achten, respektieren, maßregeln was JETZT, HEUTE, IN DIESEM MOMENT ist. Im Vertrauen darauf, dass man alles, was man zur Lösung akut auftretender Probleme braucht, bei der Hand, im Kopf, im Herzen … oder als Baum im Ast, im Stamm, in den Wurzeln hat.

Und wenn dann etwas passiert, womit man nicht gerechnet hat (sofern man gerechnet hätte, was ich ja versucht habe zu vermeiden), was einem den Boden unter den Füßen wegzieht oder wo einem vor Überraschung der Mund (die Blüte?) offenbleibt, kann man das machen, dass man auch bei einer ausgefeilten Planung, mit Visionssuche, Wunschzetteln usw. gemacht hätte: Erstaunt feststellen, dass man überrascht ist und sich in all den Planungsideen, Zetteln und Bords kein Handwerkzeug findet . Weshalb man wie immer auf die zurückgreift, mit denen man bis jetzt gut gefahren ist. Situativ, spontan und kurz entschlossen, der Intuition und eigenen Kraft vertrauend, die einem auch raten kann, sich asap entsprechende Hilfe zu organisieren.

Kurz gesagt: Einfach das tun, was man all die Jahre zuvor auch getan hat und auf das, was sich ergibt, so flexibel wie möglich zu reagieren. Nur gänzlich ohne Vorweg-Planungs-Neujahrsvorsatz-Visions-Stress.

Das ist ein angenehmes Gefühl. Mit dem kann ich mich zurücklegen, dem zurück gekehrten Licht beim Wachsen zusehen und auf den Zeitpunkt warten, wo meine Wurzeln mir von sich aus den Impuls zum Aufwachen geben werden.

Ich denke, dass der Ehrgeiz eines Baumes etwas ist, was uns in vielerlei Hinsicht weit voraus ist und das es sich lohnt, in dieser Schule eine Weiterbildung anzustreben. Womit ich all jene, die sich mit Wünschen, Hoffnungen und Ideen für dieses Jahr eingedeckt haben, nicht frustrieren will. Im Gegenteil: Ich drücke euch allen fest die Daumen, dass sich das genauso ergibt, wie ihr es euch wünscht!

Ihr habt nichts falsch gemacht, bestimmt nicht. Egal wie lange eure Rauhnächte dauerten und egal wann ihr begonnen habt. Gleichgültig ob ihr eure Wünsche anderen verraten oder sie geheim verbrannt habt. Egal wie intensiv ihr euch mit dem Loslassen, Herbeiträumen, Ausräuchern und Visionssuchen beschäftigt habt. Wenn dich das glücklich macht, wenn du spürst, dass es dir gut tut, von innen heraus, und es dich stärkt, dir Kraft und einen Fokus gibt, an dem du dich anlehnen kannst, dann mach es genau so!

Wenn du aber merkst, dass dich das stresst, du im Plansoll der Rauhnachtsvisionierung hinterher hinkst, du noch nicht mal den Ansatz eines Taus hast, was du dir wünschen sollst und auch mögliche Visionen sich sehr unspezifisch darstellen, dann mach dir kein schlechtes Gewissen. Es liegt nicht an dir. Auch nicht am falschen Workshop oder der Ausführenden. Oder an den Mondphasen in der Sahelzone.
Es passt einfach (noch) nicht und das ist ok. Und gut. Und stimmig. Und richtig.

Denk an einen Baum und stell dir vor, wie der reagieren würde in dieser Visionssuche. Oder dein Hund. Oder der Piepmatz vor dem Fenster. Oder die Rose im Vorgarten. Das entspannt und vielleicht kannst du sogar etwas lächeln bei dieser Vorstellung.
Dann bist du schon ganz weit am Weg zum Ehrgeiz eines Baumes.

6 Comments

  • Christine Schmidt

    Liebe Michaela!
    Danke für diesen wunderbaren Beitrag!
    Ich wünsche Dir ein wunderschönes Jahr 2021 und den Ehrgeiz eines Baumes😉
    Christine Schmidt

    • Michaela Schara

      Liebe Christine,
      vielen Dank – freu mich sehr, dass dir der Beitrag gefällt und ich wünsch dir auch ein baumehrgeizig-toll-feines 2021 ;-)
      Michaela

  • Doris

    Hallo Michaela,
    ich danke dir sehr für diesen Beitrag! Du hast völlig Recht, auch aus den Rauhnächten wurde ein Hype gemacht, der größtenteils an dem vorbeigeht, was sie eigentlich sein sind und sein sollen. Vielen Dank übrigens auch für den Kommentar zu der Sache mit der Wäsche – diesen Brauch habe ich auch so als Kind schon mitbekommen und er stresst mich seit Jahrzehnten! :-D Dank deiner Perspektive kann ich dieses Jahr hoffentlich doch entspannter damit umgehen. :-)
    Viele Grüße,
    Doris

    • Michaela Schara

      Hallo Doris,
      Danke für deine Bestätigung! Und das mit der Wäsche: Ich bin froh, dass es anderen auch so geht und diese „Prägung“ nicht nur mir jahrelang schlechtes Gewissen bereitet hat ;-)
      Liebe Grüße
      Michaela

  • Amrita

    Liebe Michaela,
    herzlichen Dank für diesen Artikel.
    Er hilft mir, indem er meine Wahrnehmung bestätigt. Zum Wäsche waschen, zu Vision Boards und zu allen Hypes.
    Beim Lesen habe ich gemerkt, dass ich den Ehrgeiz eines Baumes schon lange habe.
    Dank dir weiß ich mich jetzt damit in guter Gesellschaft.
    Danke und ein schönes, baumgrünes Jahr für dich.
    Mit einer gesunden Umarmung – so du sie möchtest – Amrita

    • Michaela Schara

      Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung! Ich freu mich, dass auch andere meine Wahrnehmung teilen, den Bäumen nacheifern, und eine gesunde Umarmung nehm ich herzliche gerne :-)

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