Der September: Scheiding, Erntedank und Almabtrieb
Mit dem September beginnt der Herbst (meteorologisch, astronomisch und phänologisch), die Schule startet auch wieder und generell fängt nun geschäftsmäßig für viele die hektischste Zeit an.
In früheren Zeiten hingegen läutete der September den Beginn der ruhigeren Jahreszeit ein. Allerdings noch mit sehr intensiven Arbeitstagen, denn es war und ist ja nach wie vor Erntezeit. Doch in der zweiten Monatshälfte ist die Herbst-Tag und Nachtgleiche und das letzte Fest im Jahreskreis: Erntedank. Wir sind nun schon mitten drin, in der dunkleren Jahreshälfte, die Energie geht nach innen und in den Wiesen und Wäldern sieht man bereits den Rückzug der Natur. Das Sonnenlicht leuchtet golden und stimmt so unsere Hormone auf die kommenden, dunkleren Monate ein. Die Blätter der Bäume beginnen jetzt damit, ihre natürliche, bisher vom Chlorophyl überdeckten, Farben zu zeigen. Es wird noch mal so richtig bunt, bevor der Nebel und das Weiß kommen.
Kurz gesagt: Der September ist intensiv, üppig, farbenfroh und stimmungsvoll – alles Geschenke, die der Scheiding, wie dieser Monat auch genannt wird, uns bringt.
Und er hat noch viel mehr zu bieten, dieser neunte Monat, der einen so irreführenden Namen hat.
Inhaltsübersicht
Der Name
Mit dem September beginnen die Zahlenmonate, denn von nun an wird durchgezählt – aber leider falsch, bzw. nicht mehr richtig. Das „Sept“ in September kommt nämlich von Septem, was sieben bedeutet, und verweist auf die alte Kalenderform, wo dieser Monat der siebente war, was er aber seit 153 v Chr. nicht mehr ist.
Auf einen anderen Namen konnten sich die alten Römer aber auch nicht wirklich einigen, obwohl sie es redlich und mehrfach versuchten:
- Unter Kaiser Tiberius unternahm der Senat den Versuch, dem neunten Monat den Namen des Kaiser zu geben, weil ja auch die vorigen beiden Monate (Juli und August) nach Kaisern benannt wurden.
Allein: Tiberius wollte nicht.
Begründung: Was tun, wenn nach ihm weitere Cäsaren ihren Namen einem Monat geben wollten? Der dreizehnte würde dann ja leer ausgehen. - Später probierte man es nochmal und schlug Tiberius vor, den Folgemonat (das wäre der Oktober) nach seiner Mutter zu benennen, so dass dem Monat Tiberius der Monat Livius folge. Doch das wollte der sture Kaiser auch nicht, denn damit müsste er seiner Mutter einen Rang zugestehen, den er ihr nicht geben wollte.
- Nach Tiberius kam dann Caligula (als Kaiser, nicht als Monat) und der war nicht so stur wie sein Vorgänger. Er gab dem September den Namen seines Vaters, der auch einer seiner eigenen war: Germanicus.
Der Gag dahinter: so schien nun sein ganzer Name im Jahreskreis auf – (Gaius) Caesar Augustus Germanicus … wobei Caesar im Kalender durch Julius ersetzt ist.
Diese Version hielt aber nur bis zu Caligulas Tod (der übrigens erst nach seinem Tod als Caligula bekannt wurde) und der September bekam seinen alten Namen für ein paar Jahre zurück. - Kaiser Domitian benannte ihn dann ein weiteres Mal in Germanicus um, aber auch das hielt nur bis zu seinem Regierungsende.
- Bei Kaiser Antoninus Pius unternam der Senat den nächsten Versuch, den September zu verkaiserlichen. Doch Antoninus war genauso unwillig wie Tiberius und weigerte sich, dem September seinen Namen zu geben.
- Unter Kaiser Commodus kam es dann zur kompletten Verwirrung, denn der ließ den September in Augustus umbenennen, damit der bisher so genannte August seinen eigenen Namen bekommen konnte und so – auch wieder nur während der Regierungszeit dieses Kaisers – Commodus hieß.
- Der letzte Umbenennungsversuch geschah dann unter Tacitus, der sich vom Senat breitschlagen ließ und als Namenspatron für den nicht-mehr-7er-sondern-9er-Monat diente. Auch diese Version hatte keinen Bestand und das war´s dann. Weitere Versuche gab es nicht bzw. haben sie es nicht in die Aufzeichnungen geschafft.
Ich habe nun keine Statistik geführt, aber ich denke, dass der September damit der Monat ist, der seinen Namen am häufigsten wechseln musste. Schwierig stelle ich es mir für alle Geschichtsschreiber und Bürokraten der damaligen und der folgenden Zeit vor. Ein stetig wechselnder Name sorgt nur für Verwirrung in den Aufzeichnungen. Hinzu kommt, dass man den September auch fallweise als 7ber abkürzte und, als er nicht mehr der siebente, sondern der neunten Monat war, als 9ber. Womit nachfolgende Verwirrungen, speziell bei Übertragungen von Dokumenten, Tür und Tor geöffnet waren.
Leichter war es in unserem Raum, denn da hatte der Monat eine Bezeichnung, die sich nicht an wechselnden Kaisern oder Zahlen orientierte, sondern daran, was nun zu tun war und was die Natur vorgab.
Holzmond – Scheiding
Im September begann man damit, die Holzvorräte für den Winter zu schlagen, daher der Begriff Holzmond.
Als Scheiding trennt der September den Sommer vom Herbst. Er vereint aber auch oft beide Jahreszeiten, mal ist es sonnig und warm, dann schon wieder herbstlich und nebelig. Die sanfte Verbindung beider Jahreszeiten hat sich auch im Volksmund niedergeschlagen, wo man den September auch als Mai des Herbstes bezeichnet. Das bezieht sich auf die Hoffnung, dass der September sich betreff Wetterkapriolen zurückhält und sanft, im Sinne von „heiter“ ist – nicht zu warm, nicht zu kalt, nicht zu nass, nicht zu trocken … ein bisschen sanfter Regen ist ok, Gewitter hingegen kann man gar nicht brauchen und wenn es nach den Winzern geht, dann soll es bitte nur sonnig sein und außerdem: „Septemberdonner prophezeit gar vielen Schnee zur Weihnachtszeit.“. Was den einen freut und den anderen wieder nicht.
Man sieht einmal mehr: als Wetter und Monat hat man es wahrlich nicht leicht, die in einen gesetzten Hoffnungen und Wünsche zu allseitiger Zufriedenheit zu erfüllen.
Schutzengelmonat – Unkrautmonat
Der Name Engelsmonat oder auch Schutzengelmonat ist neuer und geht darauf zurück, dass man im September der Erzengel gedenkt. Ursprünglich war´s nur einer – der Hlg. Michael. Aber im Lauf der Zeit hat man den Paradieswächter beim Gedenken um seine Kollegen erweitert und auch die Huldigungszeit ausgeweitet, gleich auf den ganzen Monat. Zwar hat Papst Klemens X. 1670 ein spezielles Schutzengelfest eingeführt, das am 2. Oktober gefeiert wird. Aber im Volksbrauch hat sich der September als Engelmonat gefestigt.
Der Begriff Unkrautmonat ist seltener und ich vermute es kommt daher, dass man sich nun der verbliebenen Unkräuter entledigt, ehe man die Felder und Beete in den Winterschlaf schickt.
Göttinnen & Heilige im September
Für die Ernte braucht es tatkräftige Hilfe, zupackende Hände und zur Planung der Wintervorräte einen g´sunden, erdigen Hausverstand, gepaart mit Feinfühligkeit und dem richtigen G´spür, was wann zu tun ist. Darum haben nun bei den Erntegöttinnen und -götter die mütterlichen Archetypen Hochsaison. Wobei es sich bei den Erntegottheiten bis auf wenige Ausnahme eigentlich immer um Göttinnen handelt. Wenn es um die Jagd geht, die nun auch wieder beginnt, dann kommen die Götter zum Zug. Doch die Ernte und die Planung des kommenden Winters, generell des kommenden Jahres, der beginnende Rückzug und die kommende Tiefe – das sind die Agenden der alten Erntegöttinnen, der Clanmütter und der weisen, alten Weiber.
Demeter und Kore – Persephone
Glaubt man den alten, griechischen Götter und Heldensagen, dann hat es die gute Göttin Demeter nicht leicht gehabt. Schön war sie und mit drei Brüdern „gesegnet“, die ihre Schönheit sehr bewunderten und ihr deswegen nachstellten. Von zweien wurde sie schwanger, einmal willentlich und einmal weniger gern. Der dritte aber raubte ihr das geliebte Kind, mit Einverständnis des Kindesvaters.
Das klingt nach einer dramatischen Mischung aus Schundroman und Soap-Opera, gewürzt mit grausigen Details aus „modernen“ Zeiten.
Die drei Brüder, die ihrer Schwester so grausam mitgespielt haben, waren Zeus, Hades und Poseidon. Ersterem gebar Demeter eine Tochter, Kore genannt, die später, als sie von Hades entführt wurde, zu Persephone oder auch Proserpina wurde. Sowohl Demeter als auch Kore-Persphone waren Fruchtbarkeitsgöttinnen und sorgten dafür, dass alles rundum blühte, wuchs und gedieh.
Doch die Entführung ihres Kindes ließ Demeter verzweifeln und sie suchte überall nach ihr. Als sie dann erfuhr, dass Zeus selbst ihrem Bruder Hades die „Erlaubnis“ für die Entführung der Tochter gegeben hatte, wurde ihre Verzweiflung unendlich und sie versagte der Welt den Lebensstrom – kein Blatt wuchs mehr, alles verdorrte, starb, ging ein und die Erde verwandelte sich in eine tote Wüste.
Demeter verließ den Olymp, sie wollte mit diesem Pack nichts mehr zu tun haben. Sie versteckte sich mal hier, mal da, war einmal als alte Frau in einer Stadt, ein andermal als Stute in einer Pferdeherde.
Dort aber entdeckte sie ihr dritter Bruder, Poseidon. Als Hengst lauerte er ihr auf und verführte Demeter wider Willen. Die Göttin rastet nun vollends aus und wurde zur Furie, zur rach- und tobsüchtigen Naturgewalt. Erst der Fluss Ladon schaffte es, die Göttin von ihrem unheilvollen Zorn reinzuwaschen.
Das Ergebnis ihrer Vereinigung mit Poseidon waren die Zwillinge Arion, ein unsterblicher Hengst, und die Nymphe Despoina.
Irgendwann schaffen es die Olympier, sich mit Demeter zu versöhnen. Kore-Persephone, die nun die Gemahlin des Hades war, durfte 8 Monate des Jahres auf der Erde, bei ihrer Mutter, sein. Den Rest des Jahres verbrachte (und verbringt?) sie bei Hades, in der Unterwelt, während ihre Mutter Demeter trauert und die Welt mit ihr.
In einer anderen Version der Demeter-Geschichte ist es Baubo, eine alte Erdgöttin, die von den anderen Göttern zu Demeter gesandt wurde, um sie zu versöhnen – denn die Erde und die Menschen starben und nur Demeter konnte sie vor dem Tod retten.
Baubo bedeutet Schoß auf griechisch und so wird sie auch dargestellt: Als sprechende Vulva. Manchmal sieht man auch Darstellungen, wo anstelle der Vulva ein sprechendes Gesicht auf zwei Beinen dargestellt wird. Eine weitere Darstellung, die man manchmal sogar an Kirchentoren findet, zur Abwehr von Dämonen, ist die einer hockenden, lachenden Frau, die unter den Knien durchgreift und ihr Geschlecht, ihre Schamlippen weit öffnet.
Baubo jedenfalls konnte der anhaltenden, (selbst)zerstörerischen Trauer der verzweifelten Mutter nicht viel abgewinnen. Sie beagnn der Göttin obszöne Witze zu erzählen, dazu tanzte sie wild und ausgelassen. Diese Kombination aus derben Scherzen, Kasperliade und Lebenslust brachten Demeter zum Lachen, holten sie aus ihrer verzweifelten Trauer und sorgten dafür, dass sie wieder auf die Füße kam, den drei herrschaftlichen Brüdern die Leviten las und so ihre Tochter Kore-Persephone zumindest teilweise aus der Unterwelt befreien konnte.
Demeter war eine uralte Fruchtbarkeitsgöttin, die die Menschen den Ackerbau lehrte, ihnen zeigte, wie man das Getreide aussäte und anschließend verarbeitete. Sie sorgte so dafür, dass die Menscheit eine großen Entwicklungsschritt nach vorne tat, vom nomadisierenden Jägervolk zu sesshaften Ackerbauern. In weitere Folge verhalf sie den Menschen so zu einem weit friedlicheren Dasein und einem Aufblühen der Gesellschaft.
Sie ist die klassische Muttergöttin und hat als Ceres auch bei den Römern Einzug gehalten. So gütig und hilfreich sie ist, so wütend und zerstörerisch kann sie werden, wenn man sie reizt oder betrügt. Andere Namen für sie sind Gerstenmutter, Weise der Erde und Überfluss. In der Hand hat sie auf alten Darstellungen neben Weizenähren oft auch eine Labrys, eine Doppelaxt, die auch als Amazonenaxt bekannt ist.
In den Mythen verschmelzen die Gestalten der Demeter und ihrer Töchter Kore-Persephone und Despoina immer wieder miteinander. Die Verehrung betraf alle drei gleichermaßen. Je tiefer man sich in diese Mysterien einliest, desto mehr zeigt sich, dass alle drei eine sind – drei Namen, für ein und dieselbe Figur, die sich im Laufe des Jahres wandelt und von der einen zur anderen wird. Nicht zufällig begegnen einem auch hier wieder der uralte, weibliche Dreierzyklus: Jungfer, Mutter und weise-wilde Alte.
Eine uralte, mystische Darstellung unserer Erde, die sich im Jahreskreis aus der kalten, verschlossenen Kahlheit in den grünen Frühling verwandelt, zur reifen Kornwiege wird und gegen Ende des Jahres ein Füllhorn an Nahrung ausschüttet. Demeter, die wandelnde, sich immer wieder verwandelnde Göttin, ist das wunderbare Sinnbild für diesen lebendigen Prozess, der auch alle emotionalen Hochs und Tiefs beinhaltet. Eine menschliche und sehr mütterliche Göttin, die sich ihrer Schmerzen und ihres Leides ebenso bewusst ist, wie ihrer tiefen Liebe und ihres Humors und die ihren Hausverstand zum Wohle aller einsetzen kann.
Die ideale Göttin für jede Jahreszeit, besonders aber für die Ernte, die Zeit der Fülle und des Überflusses, die auf die kommende, kalte Zeit vorbereitet.
Die drei Bethen
Die „drei heiligen Madln“ habe ich im Jänner hier schon einmal vorgestellt: Die drei Bethen und die drei heiligen Madln
Der Grund, warum ich hier nochmal auf sie hinweisen: Am 16. September ist der Bethentag – der offizielle kirchliche Feiertag der drei Bethen, der bis in die 60er des vergangenen Jahrhunderts auch im röm. kath. Heiligenkalender eingetragen war.
Die drei Madln – Ambeth, Borbeth und Wilbeth – haben eindeutig heidnische Wurzeln, ihrer Verehrung konnte auch vom Christentum nicht eingeschränkt werden. So wurden sie kurzer Hand in die Heiligenriege aufgenommen, wo sie als die Nothelferinnen Katharina, Margaretha und Barbara vertreten sind. Jede hat ihren eigenen Feiertag, doch am 16. September wird ihrer gemeinsam gedacht.
Die Verehrung der drei heiligen Damen war im Mittelalter sehr intensiv. In Obsaurs, in Tirol, ist ihnen sogar eine eigene Kirche gewidmet. In Südtirol, in Meransen, gibt es bis heute eine Prozession, ihnen zu Ehren.
Hildegard von Bingen
Ihr Gedenktag ist am 17. September, sie ist heute wieder modern – angesagt nennt man das – und es gibt sogar eine Medizinlehre, die nach ihr benannt ist. Ich habe auch schon Brot, Gebäck und Gewürzlinien mit ihrem Namen auf der Verpackung gesehen.
Die heilige Hildegard war eine toughe und sehr wissende Frau, die sich durchzusetzen wusste. Ich bezweifle aber, ob sie die intensive Vermarktung ihres Namens gefreut hätte. Das ihr Wissen weitergetragen und aktiv genutzt wird, wäre ihr vermutlich lieber.
Hildegard war Benediktinerin, Dichterin und Mystikerin. Sie verfasste zahlreiche Schriften rund um Religion, Medizin, Ethik und vieles mehr. Auch als Beraterin hoher Persönlichkeiten war sie gefragt. Sogar Predigten sind von ihr überliefert – in einer Zeit, wo man den Frauen wenig bis gar kein Gehör schenkte.
Seit 2012 gilt die Heilige Hildegard sogar als Kirchenlehrerin, was so ziemlich das Höchste ist, was ein Heiliger in der röm. kath. Kirche erreichen kann.
Wann und wo Hildegard geboren wurde ist nicht überliefert, es muss irgendwann im Jahr 1098 gewesen sein. Sie war das zehnte Kind und schon von Jugend an der Kirche versprochen. In ihrer Autobiographie schreibt sie, dass sie schon früh erleuchtet wurde (mit drei Jahren) und immer wieder Vision bzw. Klarsichten hatte.
Früh begann auch ihre Auseinandersetzung mit den kirchlichen Obrigkeiten. Nach dem Tod ihrer Lehrmeisterin Jutta von Sponheim übernahm Hildegard die Aufsicht über das Kloster Disibodenberg. Sie lockerte die Askese und änderte auch die überlangen Gebetszeiten. Das sorgte naturgemäß für Dispute mit dem zuständigen Abt, woraufhin Hildegard ihr eigenes Kloster gründen wollte – was die Benediktiner aber nicht zuließen, denn Hildegard war damals schon eine Berühmtheit und das kam dem ganzen Kloster zugute.
Im Lauf der Zeit wurden Hildegards Visionen immer stärker, was sie anfangs stark verunsicherte. Sie tauschte sich mit dem Hlg. Bernhard von Clairvaux aus, der sie beruhigte und unterstützte. Hildegard begann ihre Vision und Ideen aufzuschreiben. Im Jahr 1147 erteilte ihr der Pabst die Erlaubnis, diese Visionen zu veröffentlichen.
HIldegard war das, was man zur damaligen Zeit Universalgelehrte nannte. In ihren Schriften ging es nicht nur um die Gesundheit und Medizin, wofür sie heute primär bekannt ist. Sondern vielmehr um die Art und Weise, wie man leben sollte – moralisch, theologisch, philosophisch. Ihr Einfluss war groß, auch gestützt durch ihre Herkunft und ihre Familie. Da sie sich immer wieder auf ihre Visionen berief und selbst als ungebildet darstellte, also nur „als Gefäß Gottes“ diente, umging sie auf diese Weise die damalige Doktrin der Kirche, wonach das Weib aus eigener Kraft zu keinen theologischen Erkenntnissen fähig sei.
Zwischen 1150 und 1160 verfasste Hildegard auch einige medizinische Abhandlungen. Diese sind allerdings nicht im Original erhalten. Es gibt aber zahlreiche Abschriften, die sich auf sie berufen. Ob und wie weit dieses medizinischen Wissen also tatsächlich von Hildegard selbst stammt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Den Marketing-Begriff der sog. Hildegard-Medizin gibt es erst seit 1970.
Zwei medizinische Werke Hildegards sind bis heute von Interesse. Das ist zum einen Causea et curae (Ursachen und Heilung) und Physica. Darin fasste sie das damalige Wissen rund um Kranheiten und Pflanzen gemäß der griechisch-lateinischen Tradition und der überlieferten Volksmedizin zusammen. Kombiniert mit ihren eigenen Anschauunen, Erfahrungen und Philosophien entstand ein umfassendes Sammelwerk. Sie entwickelte aber keine eigenen medizinischen Anwendungen, sondern fasste nur das Wissen der Zeit zusammen und „übersetze“ es so, dass es für den Hausgebrauch ebenso von Nutzen war, wie für den Arzt.
Hildegard wurde vom Volk schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt. Sie starb 1179 im Kloster Rupertsberg, wurde aber erst 1584 offiziell in den Heiligenkanon aufgenommen. Der Grund für die Verzögerung lag in internen, kirchenbürokratischen Streitigkeiten. Kirchlich als Heilige verehrt und auch dargestellt wurde sie schon im 13. Jahrhundert. In das Verzeichnis der Heiligen aufegenommen wurde sie allerdings erst durch Pabst Benedikt XVI., im Jahr 2012.
Hildegard war Zeit ihres Lebens eine Kämpferin, die sich ihre Meinung von niemanden verbieten ließ. Fast schon stur ging sie ihren Weg und wehrte die Anfeindungen mit dem Hinweis ab, dass es sich bei ihren Ansichten ja nicht um ihre Darstellung, sondern um den Willen Gottes handle. Man kann das als raffinierten diplomatischen Schachzug sehen. Fakt ist, dass sie Erfolg damit hatte und sich durchsetzte. Ihre Ansichten standen der damaligen Kirchendoktrin nicht wirklich entgegen, waren aber in vielen Punkten menschlicher, dem Leben näher und einfacher zum Umsetzen. Die gesundheitlichen Aspekte brachten denen Hilfe, die sich kaum einen Arzt leisten konnten und vereinten das damalige Wissen. Man kann durchaus sagen, dass sie geistige und medizinische Entwicklungshilfe leistet und den Menschen, die ihr folgten, einen Lebensleitfaden in die Hand gab.
Eine Frau, die mit beiden Beinen auf der Erde stand, mit dem Herzen bei den Menschen und dem Kopf bei Gott war. Aber durchaus auch Humor und Hausverstand besaß und ihren Verstand gewitzt einsetzte.
Insofern eine passende Heilige für diese Jahreszeit, wo man diese Eigenschaften gut brauchen kann.
Erzengel Michael
Laut Bibel ist er der Hüter des Paradieses und hat zuerst das Tor dazu bewacht und dann, auf Geheiß Gottes, Adam und Eva aus dem Garten Eden vertrieben. Mit seinem Flammenschwert in der Hand hat wird er als einer der ersten Vorkämpfer im Kampf gegen den gefallenen Engel Luzifer genannt: der Heilige Michael, einer der vier Erzengel.
Seine Name „Michael“ kommt aus dem hebräischen und bedeute: Wer ist wie Gott?
Seine Verehrung erreichte ihren Höhepunkt im Mittelalter, wo man ihn als den Schutzherrn der Christenheit verehrte. Nicht nur galt (und gilt) er als Hüter des Paradieses, er soll auch die Opfergaben der Menschen zu Gott bringen, ist also mehr als ein Fürsprecher, und man kennt ihn auch als Geleiter der Seelen nach dem Tod. Was einer der Gründe sein soll, warum zahlreiche Kirchen und Gedenkstätten ihm zu Ehren großteils auf alten Kultstätten, die dem Göttervater Wotan (Odin) geweiht waren, errichtet wurden.
Der Heilige Michael ist demnach also auch ein Hüter der Schwellen und begleit auf Übergängen, in Regionen, wo das Seelenheil in Gefahr geraten kann.
Nebenbei gilt er als genereller Schutzpatron der gesamten katholischen Kirche, aber auch als der Patron der Deutschen, woher auch der Begriff „der deutsche Michel“ stammt. Es soll auch helfen, wenn man ihn als Schutz vor Blitz und Unwettern anruft. Sein Amt als Schutzheiliger der armen Seelen und der Sterbenden deutet wieder auf seine ursprüngliche Funktion als Helfer bei Übergängen hin.
Neuer, und meines Erachtens nicht wirklich schlüssig passend, sind hingegen seine Patronanzen für Bankangestellte und Radiomechaniker.
Der heilige Ritter des Lichts, wie der Erzengel auch genannt wird, wird auf Gemälden oft mit einer Waage in der Hand dargestellt. Mit dieser trennt er am jüngsten Tag die Guten von den Bösen.
Sein Feiertag ist der 29. September und das ist auch gleichzeitig der Tag, wo das Vieh endgültig von Almen ins Tal zurückgebracht wird – der Almabtrieb, bevor die hohen Bergweiden wieder im Schnee versinken. Den Erzengel bei diesem wichtigen Übergang um Unterstützung zu bitten, ist ein weiterer Brauch, der zum Hlg. Michael stimmig dazu passt.
Als Engel mit dem Flammenschwert und Lichterfürst passt er auch von seiner sonstigen Darstellung gut in die nun beginnende dunkle Jahreszeit und es gab und gibt zahlreiche Bräuche, die den guten Michael mit dem Feuer kombiniert feiern. So wurden nicht nur Feuer am Vorabend des Michaelstages angezündet, es gab auch den Lichtbraten, meist eine Gans, zu essen. Ein Brauch, der sich aber mehr und mehr Richtung November verschoben hat, zum heiligen Martin.
Der Michaelstag war ein wichtiger Feiertag, an dem natürlich nicht gearbeitet wurde. Oft war das auch der Tag, ab dem man dann die Tagesarbeit nach Einbruch der Dunkelheit bei künstlichem Licht fortsetzte – unter dem Segen des Hlg. Michael, der die Nachtgeister davon abhielt die fleißigen Werktätigen zu belästigen.
Wichtig war der Michaelistag aber auch für die weltlichen Dinge, denn er galt als Gerichts-, Markt- und Stichttag. An diesem Tag galten unter anderem Darlehen als fällig und in manchen Gegenden war der 29. September auch der Tag, an dem das Gesinde wechselte und ausbezahlt wurde. Häufiger geschah dies aber zu Lichtmess, im Februar, oder am Tag des Hlg. Martin, im November.
Neben seiner umfassenden und wichtigen Patronanzthemen beherrscht der Hlg. Michael aber auch die Bauernregeln im September und sein Feiertag gilt als wichtiger Lostag für das Wetter der kommenden Wochen.
Kleinfrauentag, Erntedank, Herbstbeginn und andere wichtige Tage im September
8. September: Mariä Geburt
Mit dem kleinen Frauentag am 8. September, der als Mariä Geburt bekannter ist, endet der Frauendreißiger, der am 15. August, am hohen Frauentag, begonnen hat.
Mit Mariä Geburt wird der Geburtstag von Maria, der Mutter Jesu, gefeiert. Mit dem Festlegen dieses Tages bestimmte man übrigens auch den Feiertag Maria Empfängnis, der 9 Monate früher gefeiert wird und wo offiziell das Hochfest, der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria gedacht wird. Sprich: an Maria Empfängnis empfing Anna (die Mutter Marias) das Kind, das am 8. September geboren wurde und später dann zur jungfräulichen Mutter Jesu werden sollte. Alles klar?
Rein von der Verehrung und der künstlerischen Darstellung zählt man die Geburt Marias aber eher zum Wirken der Hlg. Anna, also ihrer Mutter, hinzu.
Im Volksbrauch ist der 8. September ein Anzeiger für den Herbstbeginn, denn:
„Zu Mariä Geburt fliegen die Schwalben furt!“
14. September: Kreuzerhöhung
Weniger bekannt ist heute der Feiertag der Kreuzerhöhung, am 14. September, auf englisch Holy Cross Day. Man feiert hier die Wiederauffindung des Kreuzes Christi. Rund um diese Geschichte ranken sich drei Legenden:
Nr. 1, die Helena-Legende: Die Hlg. Helena findet bei einer Reise ins Heilige Land drei Kreuze unter einem heidnischen Tempel. Durch eine wundersame Totenerweckung wird eines der Kreuze als das von Jesus identifiziert und Helena nimmt einen Teil davon als Reliquie mit nach Konstantinopel, der Rest bleibt in Jerusalem.
Nr. 2, die Cyriacus-Legende: Hier ist es ein Jude namens Judas, der das Kreuz entdeckt und daraufhin zum Christentum konvertiert. Seinen Namen ändert er in Judas Cyriacus und er wird später auch zum Bischof von Jerusalem.
Nr. 3, die Protonike-Legende: Protonike war angebl. eine Gemahlin von Kaiser Claudius. Sie reiste mit ihre beiden Söhnen und einer Tochter nach Jerusalem um den Berg Golgota und speziell das Kreuz Jesu zu sehen. Beides wird ihr aber mit der Begründung verwehrt, dass sich dieser Bereich in den Händen der Juden befindet und Christen dort nicht erwünscht sind. Als Kaisers-Frau hatte Protonike hier aber durchaus herrschaftliche Möglichkeiten. Sie befahl den jüdischen Oberen einfach, den Golgota an die Christen zu übergeben. In weitere Folge kann sie nun diese Stätte besuchen und findet natürlich auch auch das Grab Jesu, mit drei Kreuzen. Beim Betreten des Grabes fällt ihre Tochter jedoch tot um. Eine der Brüder aber meint, dass Jesus das nicht zulassen würde, dass seine Schwester stirbt. Daraufhin nimmt Protonike eines der Kreuze, legt es auf ihre Tochter und beginnt zu beten. Als sich nichts tut, probiert sie es mit den anderen beiden Kreuzen. Beim dritten schlussendlich erwacht ihre Tochter wieder zum Leben und das wahre Kreuz Jesu ist nun identifiziert. Über dem Grab wird eine Kirche gebaut und Protonike kehrt mit ihren Kinder zurück nach Rom.
Alle drei Legenden stammen aus der Zeit um 350 n. Chr., sind in div. Sprachen überliefert und haben sichtlich einen gemeinsamen Ursprung, der je nach politischer Richtung im Lauf der Zeit entsprechend geändert wurde. Ihnen gemein ist die Tatsache, dass ab diesem Zeitpunkt Kreuzdarstellungen und -reliquien in Mode kamen und man seither das Kreuz, also das Werkzeug, mit dem Jesus getötet wurde, als Symbol für den christlichen Glauben darstellte.
Die Urchristen hatten den Fisch als Symbol, denn Jesus war ja ursprünglich Fischer. Das Kreuz hingegen galt zur damaligen Zeit als schändlichste Form der Hinrichtung und keinem (im römischen Reich aufgewachsenen) Christen wäre es jemals eingefallen, ein Haus zu betreten, das als Kennzeichnung ein ungleichschenkeliges Kreuz am Giebel hatte. Diese Form der Symbolik ist erst später üblich geworden.
23. September: Tag- und Nachtgleiche, Erntedank und astronomischer Herbstbeginn
Über die Tag- und Nachtgleiche, das letzte Jahreskreisfest Mabon-Erntedank und den Herbstbeginn habe ich schon hier einiges zusammengeschrieben:
- Altweibersommer, Indian Summer: die goldenen Herbsttage
- Wann ist eigentlich Erntedank und Herbstbeginn?!
- Mabon – Erntedank – Tag & Nachtgleiche
Bauernregeln im September
Der September soll mild und sonnig sein, mit leichtem Regen und nicht zu heissen Tagen, aber bitte noch ohne allzu kalte Nächte. Mit anderen Worten: Ideales Wanderwetter! Und natürlich auch bestens geeignet, um die letzten Erntearbeiten rund um Haus und Feld abzuschließen.
Der September zeigt aber auch schon an, wie der Rest der Herbstes und der Winter werden soll, zumindest wenn man den alten Bauernregeln glaubt:
- Was Juli und August nicht taten, lässt auch September nicht geraten.
- Ziehen die wilden Gänse weg, fällt der Altweibersommer in’n Dreck
- Durch des September heitern Blick schaut einmal noch der Mai zurück.
- Wie im September tritt der Neumond ein, so wird das Wetter im Winter – oder: den Herbst durch – sein.
- Im September viel Schleh‘, im Dezember viel Schnee.
Und hier eine Reihe von Regeln für einzelne Lostage:
- 1. September: Ist Ägidi ein heller Tag, ich dir einen schönen Herbst ansag.
- 5. September: Lorenz im Sonnenschein, wird der Herbst gesegnet sein.
- 8. September: An Mariä Geburt fliegen die Schwalben furt.
- 12. September: An Mariä Namen, sagt der Sommer „Amen“.
- 14. Septmeber: Ist`s hell am Kreuzerhöhungstag, so folgt ein strenger Winter nach.
- 18. September: Auf Lambert hell und klar, folgt ein trocken Jahr.
- 21. September: Wie`s St.Mattis treibt, es vier Wochen bleibt.
- 23. September: Stellt sich am Herbstanfang viel Nebel ein, wird viel Schnee im Winter sein.
- 26. September: Sankt Kosmas und Sankt Damian fängt das Laub zu färben an.
- 29. September:
- Gibt Michaeli Sonnenschein, wird es in zwei Wochen Winter sein.
- Wenn die Vögel nicht zieh’n vor Michael furt, so wird es nicht Winter vor Christi Geburt.
Anderes, Ergänzendes & Besserwisserisches rund um den September
- Ein trauriger Gedenktag ist der 11. September. Da kam es im Jahr 2001 zum weltweit bisher schwersten Terroranschlag: Über 3000 Menschen starben in den Trümmern des einstürzenden World Trade Center, im Pentagon und in den vier entführten Flugzeugen, mit denen die Anschläge ausgeführt wurden.
- Der September beginnt mit dem gleichen Wochentag wie der Dezember.
- Am ersten Samstag im September ist Tag des Kaffees, am letzen Sonntag im September ist Weltherztag … mag sein, dass da ein Zusammenhang ist, denn zuviel Kaffeegenuss soll ja mitunter schlecht für´s Herz sein. Aber ich denke, dass das einfach ein simpler Zufall ist, ohne nähere Bedeutung … aber wer weiß ;-)
- In München beginnt traditionsgemäß in der zweiten Hälfte des Septembers das Oktoberfest, seit 1950.