Altweibersommer, Indian Summer: die goldenen Herbsttage
Liest oder hört man diese Begriffe, hat man sofort klare und eindeutige Assoziationen im Kopf: angenehm warme Tage, zeitlich schon tief im Herbst angesiedelt, leuchtend bunte Laubbäume und ein strahlend blauer Himmel.
Die Wein- und Apfelernte wird eingefahren und beim Wandern durch die Hügel fühlt man sich wie in einem paradiesischen Märchen.
Spinnweben zieren die Hecken und sind am Morgen, durch die kühlen Temperaturen, als zarter Reif deutlich zu sehen. Immer wieder schweben winzigkleine Spinnen auf langen, weißen Fäden durch die Luft und erinnern so daran, warum diese Zeit Altweibersommer heißt: die Gespinste erinnern an die dünnen, weißen Haaren der weisen Alten.
Und wer sich durch den Begriff „Altweibersommer“ gendergesellschaftlich gestört fühlt: das Wort ist älter als unsere aktuelle Alten- und Frauensicht. Die alten Weiber waren nicht immer die abgeschobenen weiblichen Verwandten, sondern waren (und sind) eine eigene Macht an sich. Die weise Alte hat viel erlebt, gelernt, erfahren und kann vieles erzählen – ihr diese wunderschöne Zwischenjahreszeit zu widmen ist mehr als nur richtig.
Inhaltsübersicht
Der Altweibersommer ist eine königliche Herbstzeit
Man nennt ihn auch die fünfte Jahreszeit. Die Natur schmückt sich nun in all ihrer Pracht, zeigt noch einmal üppig was sie hat und die Blätter, vom alles übertünchenden Chlorophyl befreit, präsentieren nun ihre eigene, wahre Farbe. Ungeschminkt und wunderschön.
Die Spinnfäden werden auch Marienfäden, Marienseide oder Marienhaar genannt und sollen, einer christlichen Legende nach, Silberfäden aus dem Mantel Marias sein. Eine zarte Huldigung an die Göttin im christlichen Pantheon?
Bleibt eins dieser zarten Gespinste an einem hängen, so gilt es als Glücksbringer. Wer den Spinnen wenig Sympathie entgegenbringt, dem sei gesagt: es sind die nützlichsten Hausbewohner, die man nur haben kann. Reinlich und darauf aus, die Umwelt um ein paar (lästige) Insekten ärmer zu machen. Das uns ihre Netze stören ist nicht ihr Problem. Und ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen: man kann seine Arachnophobie abarbeiten und mit ihnen ein gutes Auskommen haben. Es sind sehr verständige Tiere und „weiben“ ist auch ein alter Ausdruck für Weben – ein zusätzlicher Hinweis für die Wertschätzung des Begriffs Altwe(i)bersommer.
Älter als die Marienlegende ist die Sage, dass die zarten, weißen Fäden von den Nornen stammen, die beim Kämmen Haare verlieren. Ob es die eigenen sind oder ob es sich um Flugfasern, vom Spinnen des Schicksalsfadens, handelt, hängt von der jeweiligen Geschichte ab der man glauben will. Die germanischen Nornen jedenfalls sind die unbestechlichen Hüterinnen des Schicksals eines jeden Menschens. Urd (Schicksal), Verdandi (das Werdende) und Skuld (das Gesollte) sind ihre Namen und sie entsprechen der Personifizierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nicht zufällig entsprechen sie damit der alten matriarchalen Göttinnendarstellung von Jungfer – Mutter – weiser Alten, der dreigestaltigen Göttin.
Der geschichtliche Wandel hin zu Maria, der Mutter Gottes, zeigt über die Glaubensgrenzen und Jahrtausende hinweg, dass dem Volksglauben entsprechend das menschliche Schicksal durch weibliche Tore und Präsenzen geprägt wird – sie steht am Anfang, in der Mitte und am Ende des Lebens.
Wann ist Altweibersommer?
Der hält sich nun leider an kein Datum und manches Jahr lässt er ganz aus. Die Natur behält sich hier ihre Launenhaftigkeit vor. Manchmal schenkt sie uns zwischen Mitte September und Mitte November ein starkes Hochdruckwetter – die goldenen Herbsttage, die uns noch einmal Kraft tanken lassen, bevor der November alles in seine Nebelschleier hüllt und alles schläft.
Die Wetterstatistiken können die fünfte Jahreszeit seit 200 Jahre nachweisen, in den Bauernregeln ist sie noch länger, als immer wieder kehrende Zeit, verankert:
Ist es hell am Kreuzerhöhungstag (14.9.), so folgt ein strenger Winter nach.
Kommt der Michel (29.9.) heiter und schön, wird’s vier Wochen weitergehen.
Ist der September lind, wird der Winter ein Kind.
Auf ein späteres Eintreffen der goldenen Altweibersommertage vertrösten diese Bauernregeln:
Ist’s zu Allerheiligen rein, tritt Altweibersommer ein.
Der heilige Leopold (15.11.) ist dem Altweibersommer hold.
Doch allzu lange sollte der Segen dieser Tage nicht dauern, denn:
Der Altweibersommer tut nicht lange gut und steht er auch in aller Heiligen Hut.
Rein meteorologisch ist der Altweibersommer eine sog. Singularität – wie die Eisheiligen im Mai oder die Schafskälte im Juni. Er fällt, im Vergleich zur ihm umgebenden Jahreszeit, aus dem Rahmen und spielt konträr, ist aber auch eine Art Gegenspieler zum Frühjahr. Eine Bauernregel nimmt dazu direkten Bezug:
Der September ist der Mai des Herbstes.
Eine Regel, die auffallend häufig stimmt: War der Mai ein kalter, dann wird auch der September so und umgekehrt.
Andere Begriffe
In Schweden heißt der Altweibersommer „Brigitta-Sommer„, die Schweizer nennen ihn mitunter „Witwensömmerli„, in Polen ist es der „Babie Lato„, was übersetzt Weiber-Sommer heißt. In Böhmen ist es hingegen ganz unweiblich der „Wenzelsommer“ und Frankreich nennt ihn „Ete de la Saint-Martin“ – dafür gelten dort die Spinnfäden fix als „Filis de la Vierge„, als Haar der Jungfrau Maria. In den Mittelmeerländern kommt er mitunter etwas später, im November, und wird dann „St. Martins Sommer“ genannt. Und in Amerika nennt man ihn „Indian Summer„.
Der amerikanische Indian Summer
Ein Begriff der, wie auch der Altweibersommer, in heutiger Zeit umstritten ist – man munkelt von Rassendiskriminierung, Herabwürdigung und ähnlichem.
Im Gegensatz dazu steht das prachtvolle optische Erscheinungsbild eines klassischen Indian Summer. Noch intensiver als in unseren Breiten zeigen die Bäume ihre Farbenpracht und besonders der kanadische Zuckerahorn tut sich hier hervor. In Neuengland ist dieser Baum der häufigste und sorgt somit dafür, dass man im Indian Summer ein herrliches Farbenspiel von Grün nach Gelb, Orange, Rot und Braun geboten bekommt.
Die Wortherkunft von Indian Summer ist ungeklärt, es kursieren mehrere Legenden dazu. Die älteren beziehen sich auf die Haupt-Jagdsaison der nordamerikanischen Indianer im Herbst.
Eine davon stammt von den Irokesen und erzählt die Legende von der Jagd auf den großen Bären:
Jedes Jahr im Herbst machen sich zwei Jäger auf die Jagd nach dem großen Bären. Es ist ein besonderer Bär, denn seine magische Kraft lässt ihn über den Himmel wandern. Doch die Jäger spüren ihm überall nach, sie folgen ihm überall hin und letztendlich gelingt es ihnen dann auch ihn zu erlegen.
Sein Blut, das nun auf die Erde tropft, färbt die Blätter des Ahorns rot. Sein Geist aber steht am Firmament: als das Sternbild des großen Bären, dicht gefolgt von den beiden Jägern und ihrem Hund.
Ob das Wort Indian Summer nun politisch korrekt ist oder nicht: die Legende ist eine schöne und hat eine starke Ähnlichkeit mit unseren kelto-germanischen Sagen.
Doch ganz gleich wie man die goldenen Herbsttage nun nennt – man muss sie einfach genießen und sich vom Zauber dieser Zeit stärken lassen. Denn schon bald danach versinken die Tage im düsteren Wintergrau und dann tut die Erinnerung an goldenen Momente mit bunten Blättern einfach gut.
Schlussendlich sorgt auch das nun herrschende Licht dafür, dass sich unser Körper gut auf die kommende Zeit einstellen kann. Das gelbe Licht des Herbstes ist im Gegensatz zum blauen Frühlingslicht der Ansporn für unsere Hormone sich in den Wintermodus zu begeben, der Körper schaltet auf Sparbetrieb. Zeitgleich hat gelbes Licht eine stimmungsaufhellende und optimistische Komponente, die trübe Gedanken und Melancholie mit sonnigem Gemüt vertreiben. Man wird ausgeglichener und kommt langsam zur Ruhe, kann sich nun besser auf die innere Uhr konzentrieren und sich entsprechend dem Jahreskreis mit den inneren Themen der Tiefe auseinandersetzen.
Der Altweibersommer als prophylaktische Wintermedizin
Tut gut, hat nur wohltuende Nebenwirkungen., kräftig Körper und Gemüt, macht gute Laune und sollte daher unbedingt genossen werden. So oft als möglich ;-)
2 Comments
Patricia
…ich bin wieder mal zufällig auf deinen blog gekommen.
oder der blog ist mir zugefallen (nein ich sage NICHT das blog, genausowenig wie ich das laptop, das teller oder das knödel. dafür das yoghurt.
Ich bedaure zutiefst, daß aus unserem angedachten treffen seinerzeit nichts geworden ist. das sind die versäumten gelegenheiten. warum ich dir das erzähle? mh. keine ahnung. vielleicht weil ich keine gelegenheiten mehr versäumen will. so flüchtig ist der augenblick. darum verharre ich hier ein wenig. vlt auch deshalb weil ich demnächst für 6 wochen auf rehab ins altviertel aufbreche um an geist, seeele und körper zu gesunden. und daher kam mir in den sinn, netze die man sachte zu knüpfen anfängt, nicht vergessen darf.
wie gesagt, wir haben uns nie persönlich kennen gelernt, aber dennoch habe ich so das gefühl des vermissens – deine virtuelle, gescheite, fröhliche, messerscharfe präsenz war schon erwärmend.
ich wünsche dir alles liebe und lass es dir gutgehen, umgeben von all jenen wesen, die dir wichtig sind…..
Michaela Schara
Hallo Pipa :)
Freu mich, dass du (wieder?) hergefunden hast. Und sorry to correct you: wir haben uns mal kennengelernt – Sommer vor ein paar Jahren, auf der Rennbahn in Baden, im damaligen Heinrichs und in einer sehr lustig-netten Runde.
Wünsch dir wonnig-schöne und sehr erholsam-regenerative Tage im mystisch-wunderbare (W)Altviertel, genieß diese Zeit!
Und iwann werden wir uns ganz sicher wieder sehen – online oder offline ;-)