Der November: Nebelung, Trauer, Orakel und die Anderswelt
So bunt der Oktober ist, so grau ist der November. Eben noch überschüttet einem der Wald mit Blattgold und die Natur schmückt sich in den buntesten Farben. Tags darauf ist alles kahl, leer und die Konturen werden vom Nebel verwischt. Die Stimmung passt, denn nun sollen die Grenzen zur anderen Welt offen sein, leichter passierbar – in beide Richtungen. Mit ein Grund, warum an Halloween die Kinder als Geister und Gruselgestalten durch die Straßen ziehen. Denn so glauben die echten Geister, dass hier schon welche waren und ziehen ihrerseits weiter.
Die Stimmung schwankt zwischen morbid, besinnlich, traurig und befriedet – der 11. Monat im Jahreskreis ist kein leichter, er fordert ultimativ zur Einkehr und Nach-Innen-Wendung auf und wer sich dem widersetzt, bezahlt mit Schwere, verbraucht mehr Kraft als notwendig.
Der November beginnt mit dem Gedenken an die Toten, zuerst die Heiligen, dann die gewöhnlichen Sterblichen. Friedhofsbesuche stehen nun auf der „Das gehört sich„-Liste der Jahresbrauchtümer. Die nächste Station sind dann schon die Martinigänse. Was es mit all diesen Bräuchen und anderen zu tun hat, woher der November seine Bezeichnungen hat und welche besonderen Tage er bringt, könnt ihr hier nachlesen:
Inhaltsübersicht
Der Name
Laut seinem Namen ist er der Neunte, vom lat. Novem und das bedeutet Neun. Doch aufgrund der schon von den vorherigen Monaten sattsam bekannten Kalenderreform im Jahr 156 v. Chr. ist er in unserer Zeit der 11. Monat im Jahr und bis heute hat sich kein besserer Name gefunden. Es gab zwar auch beim November einige Versuche der Umbenennung, aber deutlich weniger als beispielsweise beim September. So versuchte Kaiser Commodus den November in Romanus umzubenennen. Doch das hielt wie bei den meisten dieser Versuche nur bis zum Tod des Kaisers und danach lief der 11. Monat wieder unter seinem verwirrenden 9er-Namen.
Wesentlich griffiger sind da die alten Bezeichnungen, die in unseren Breiten üblich waren und teilweise auch noch sind.
Windmond & Nebelung
Die Herbstürme wehen nun durchs Land, reißen die letzen bunten Blätter von den Bäumen, der Windmond wird seinem Namen gerecht – hoffentlich, denn das ist laut den Bauernregeln ein gutes Zeichen:
Sitzt das Laub fest am Baum, kommt ein strenger Winter kaum.
Ein kalter Winter war (und ist) wichtig, denn nur dann wurde das Ungeziefer auf ein erträgliche Maß reduziert.
Neben dem Wind ist der Nebel das typische Bild des Novembers, dass ihm auch den grauen Namen Nebelung oder Nebelmond eingebracht hat.
Wintermonat & Schlachtmond
Da es im November manchmal schon sehr empfindlich kalt sein kann, mitunter liegt auch schon Schnee, findet sich mancherorts auch der Begriff Wintermonat für den letzen Herbstmonat. In den Niederlanden hat sich wiederum der Begriff des Schlachtmonds eingebürgert, da man dort um diese Zeit mit dem Reduzieren der Schweineherden begann. In unserer Gegend marschieren eher die Gänse auf die Nahrungstafel. Heutzutage hauptsächlich als Brauchtum rund um Martini, in früheren Zeiten aber als notwendige Aktion, um die Herden über den Winter klein zu halten, denn alle Tiere konnte man nicht durchfüttern.
Trauermonat & dritter Herbstmond
Aufgrund der Totengedenktage und der Jahreskreisenergie rund um Samhain, wo man sich der anderen Welt stärker besinnt und seiner Ahnen gedenkt, wird der November auch als Trauermonat bezeichnet. Die nebelige Stimmung, weniger Sonne und die kahlen Äste im Wald sind die richtige Kulisse dafür und machen einem die eigene Sterblichkeit bewusst. Die Kehrseite dieser Innenwendung sind Depressionen, die nun zunehmen. Die Melancholie zieht ein und man ist empathisch empfindsamer, was sich in einen bedenklichen Gedankenstrudel abwärts auswirken kann. Beste Hilfe gegen erste Anzeichen: Ein Spaziergang, egal wie das Wetter ist, und am besten in der Natur, im Wald, weit weg von Siedlungen. Auch im Nebel (ist gut für die Haut ;) und auch bei Wind – der vertreibt dann trübe Gedanken. Bei Sonne sowieso und auch im Regen kann man ein paar Schritte gehen. Wozu wurde denn wasserfeste Funktionskleidung entwickelt, wenn man sie nicht auch mal ihrem Sinn entsprechend nutzt?
Nach dem September und Oktober ist der November rein kalendarisch der dritte Herbstmonat, die Bezeichnung dritter Herbstmond ist daher auch schlüssig.
Göttinnen & Heilige im November
Über die nun herrschenden Göttinnen und einige Heilge habe ich in meiner Samhain – Beschreibung schon einiges geschrieben, hier die direkten Links dazu:
Über den heiligen Martin und seine Gänse gibt es einen eigenen Artikel:
Einen möchte ich aber noch zusätzlich erwähnen, der nun seinen Feiertag hat:
Hubertus – der Mann mit dem Hirschen
Sein Gedenktag ist am 3.11. , er stammte ursprünglich aus Toulouse und er war Bischof von Maastricht und Lüttich. Vor seiner Kirchenzeit war er Pfalzgraf und lebte am Hof von Theoderich III. in Paris, von wo er aber fliehen musste. Später heiratete er eine Prinzessin und bekam einen Sohn, der auch sein Nachfolger als Bischof werden sollte.
Nach dem Tod seiner Frau zog sich Hubertus von der Außenwelt zurück und lebte sieben Jahre als Einsiedler in den Bergen. Seine Nahrung erjagte er sich in den Wäldern. In den Jahren, in denen er alleine lebte, intensivierte sich sein Glaube. Er unternahm eine Pilgerreise nach Rom, wurde Priester und arbeitete als Glaubenshelfer. Seinem Engagement verdankte er auch die Bezeichnung „Apostel der Ardennen„.
Hubertus war als weiser und gütiger Mensch bekannt, der sein Wirken allen Menschen gleichermaßen zukommen ließ. Bekannt ist er heute aber als der Mann, dem der Hirsch mit dem Kreuz im Geweih erschienen ist, was zu seiner Bekehrung geführt haben soll. Dabei dürfte es sich aber um eine Vermischung seiner Geschichte mit einer anderen Legende handeln, denn ein solcher Hirsch ist schon einige hundert Jahre vor Hubertus dem Placidus erschienen, der daraufhin bekehrt wurde und sich vortan Eustachius nannte. Man hängte die Geschichte später dem guten Hubertus um, da der ja als jagender Einsiedler bekannt war und man so das damals oft sehr intensiv gepflegte Jagdtreiben zügeln wollte.
Interessant ist aber auch die Theorie, dass mit dieser Legende auf wesentlich ältere Geschichten zurückgegriffen wird, die mit den „heidnischen“ Bräuchen in Verbindung gebracht werden. So ist der Hirsch das Symbol für den kelto-gallischen Gott Cernunnos, der als der „Gehörnte“ mit einem Hirschgeweih dargestellt wird. Cernunnos inspirierte auch zu anderen Legenden, der „Green Man“ bei den Inselkelten ist eine weitere Form seiner Erscheinung. Er ist der wilde Jäger, der im Verbund mit der Natur lebt, ein fester Bestandteil davon ist und uns immer wieder daran erinnert, dass man sie nicht bändigen oder beherrschen kann. Im Herbst zieht in unseren Breiten laut Überlieferung die Percht durch die Gegend, vielerorts in Form der Wilden Jagd, und auch hier kann man den Cernunnos-Gedanken finden.
Ihn mit dem hlg. Hubertus in Verbindung zu bringen, in Form des mit einem Christus-Kreuz versehenen Hirschen, deutet auf die Bändigung der Natur (und der damals noch vielerorts herrschenden alten Bräuche) durch die Kraft des neuen Glaubens. Man schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Es gab ein stimmiges Ereignis, auf Basis dessen der wilde Jäger in den Wäldern zum wahren Glauben bekehrt wurde und man setzte ein Zeichen, dass auch die wildesten Bräuche und die damit verbundene Urnatur gebändigt wurden. Nebenbei war es eine Mahnung an die wilden Jagdgesellschaften, das Treiben in Wald und Flur nicht zu übertreiben.
Hubertus wird besonders in Belgien und den angrenzenden Gebieten sehr verehrt und zählt zu den bekanntesten Heiligen. Bei uns ist der der Patron der Jäger, Forstleute und auch der Jagdhunde, der Schützen, Kürschner, Metallarbeiter, Mathematiker und Schellenmacher.
Wenn man sich an ihn wendet, dann soll das gegen Schlaflosigkeit, Tollwut (bei Hunden), Hunden- und Schlangenbissen helfen. Er gibt aber auch Kraft bei Zahnweh, Kopfschmerzen, Mondsucht und diversen Viehkrankheiten.
Im sind zahlreiche Warten (Aussichtstürme), Burgen, Kirchen und Brunnen gewidmet und an seinem Gedenktag finden die sog. Hubertusjagden statt, meist in Verbindung mit einer Hubertusmesse auf freiem Feld oder im Wald. Wenn man dabei Salz, Brot und Wasser segnen lässt, hat man angeblich ein gutes Mittel gegen Hundebisse und Tollwut daheim. Verlassen würde ich mich darauf allerdings weniger, auch nicht auf die sog. Hubertusschlüssel, die gleichfalls vor Tollwut schützen sollten. Dabei handelte es sich um einen Schlüssel oder Nagel, der über heißen Kohlen zum Glühen gebracht wurde und den man dann dem betroffenen Tier oder Mensch auf die Stirn legte. Bei Bissen von tollwütigen Tieren wurde die Wunde mit dem Hubertusschlüssel ausgebrannt. Die Verwendung ist übrigens seit dem Jahr 1828 kirchlich (und sicher auch medizinisch und gesetzlich) verboten.
Samhain – Allerheiligen, Allerseelen, der Andreastag und andere wichtige Tage im November
Die Zeit um Samhain habe ich hier sehr ausführlich beschrieben:
Da finden sich auch Infos über Rituale, Pflanzen und Symbole, Alltagstipps für diese Jahreszeit, und natürlich über Begräbnisriten.
Weitere spannende Tage im November sind unter anderem:
Leonhardi
Der Feiertag des Hlg. Leonhard von Limoges ist am 6. November und bekannt ist dieser Tag für die vielerorts stattfindenden Leonhardi-Ritte oder -Fahrten – eine Prozession zu Pferd, die vor allem im bayrischen und westösterreichischen Raum noch gepflegt wird.
Der Hlg. Leonhard gilt als Schutzpatron der Tiere – wie auch der Hlg. Franz von Asissi. Bei diesen Prozessionen werden oft auch die Tiere gesegnet, als Dank für die Arbeit, die sie übers Jahr zu verrichten haben, und als Schutz für die kommende Zeit:
„Nach der vielen Arbeit Schwere, an Leonhardi die Rösser ehre.“
Wer mehr rund um diesen Brauch wissen will, der findet hier einen informativen Artikel, der im oberbayrischen Dialekt verfasst ist: Leonhardi
Andreastag
Der ist am 30.November, geehrt wird hier der Apostel Andreas, der auch als Künder der Zukunft gilt. Damit verbunden sind daher auch zahlreiche Orakelbräuche, die gerade in der dunklen Jahreszeit ein Licht auf das, was kommen wird, bringen sollen. Die meisten drehen sich um die Liebe und zukünftige Beziehungen.
Zum Beispiel das in Sachsen bekannte Tremmelziehen:
Der Tremmel ist ein Holzscheit, den das Mädel blind aus einem Stoß wählen und ziehen muss. Ist es ein gerades Holzsstück, wird auch ihr zukünftiger Liebster ein gerader, gstandener Kerl sein. Ist der Tremmel krumm, alt und knorrig, so wird das auch der kommende Freier sein.
Ein anderer Brauch schreibt vor, dass das Mädchen bei einer unbescholtenen Witwe Mehl, Butter und Salz holen soll, aus denen sie eine Kuchen bäckt und den dann isst. Laut anderer Quellen reicht auch ein Apfel, den ihr die Witwe gibt, oder ein Glas Wein das am Andreasabend getrunken wird. Vorm Schlafengehen muss dann noch ein bestimmter Spruch aufgesagt werden und im Traum erscheint dann der zukünftige Galan. Sind es mehrere, dann wird es der, der ihr als erstes Wasser zum Trinken reicht.
Dieser Brauch ist übrigens in Variationen sehr verbreitet. In England legt man von einem Hochzeitskuchen ein Stück unter der Bett der noch freien Burschen und Mädchen, die dann von ihrem kommenden Partner träumen.
In der Bukowina wiederum werden gleichfalls Kuchen gebacken – sehr kleine, mit viel Fett bestrichene, die mit einem Namen versehen werden und auf die Fensterbank gelegt. Der Haushund wird dann hereingeholt und der Kuchen, den er als erstes frisst, deutet auf den zukünftigen Liebsten hin.
Ein anderer Brauch ist dem rund um St. Barbara gepflegten sehr ähnlich. Man schneidet am Andreastag Zweige von einem Laubbaum, idealerweise einer, der im Frühjahr Blüten trägt (Apfel, Kirsche, Pflaume, Marillen …). Wichtig dabei ist die richtige Uhrzeit und manche beschreiben auch, dass es mehrere Zweige von verschiedenen Bäumen sein sollen. Weiters darf man nichts dabei reden und gesehen werden sollte man auch nicht (auch wenn es der eigenen Garten ist und nicht der vom Nachbarn ;). Diese Zweige „verknüpft“ man nun mit seinen Wünschen, die man mit einem Band oder einer (roten) Schnur kennzeichnet, und stellt sie im Haus in eine Vase. Die Zweige, die zu Weihnachten blühen, kennzeichnen die Wünsche, die in Erfüllung gehen werden
Bauernregeln im November
Die wetterlichen Wünsche für den November sind sehr klar definiert: Nass darf er sein, sogar Gewitter sind willkommen, aber Eis und Frost sind unerwünscht. Ein später Altweibersommer wird auch sehr geschätzt, aber zu heiss und intensiv darf der nicht werden, denn das motiviert miunter ein paar Pflanzen zu einer falschen Frühlingsblüte. Wie bei den anderen Monaten meint man auch anhand des Novemberwetters die kommenden Monate und das nächste Jahr einschätzen zu können. Da nun die Herbstsaat schon ausgebracht ist, bedeutete diese Erkenntnis auch, dass man den kommenden, ersten Ernteertrag abschätzen kann und so in etwa weiß, wie lang man mit den aktuellen Wintervorräten haushalten muss.
Die allgemeinen November-Bauernregeln:
- Je mehr Schnee im November fällt, um so fruchtbarer das Feld.
- Novembers Morgenrot mit langem Regen droht.
- Wenn der November regnet und frostet, dies der Saat ihr Leben kostet.
- Baumblüte im November gar, noch nie ein gutes Zeichen war!
- Wenn der November blitzt und kracht, im nächsten Jahr der Bauer lacht.
… und hier die Regeln für die einzelnen Lostage:
- 1.11., Allerheiligen
- Allerheiligenreif macht zur Weihnacht alles steif.
- Bricht vor Allerheiligen der Winter ein, so herrscht um Martini Sonnenschein.
- Allerheiligen bringt den Nachsommer.
- 3.11. Bringt Hubertus Schnee und Eis, bleibt’s den ganzen November weiß.
- 6.11.: Wie’s Wetter an Lenardi ist, bleibt’s bis Weihnachten gewiß.
- 11.11., Martini
- Ist um St.Martin der Baum schon kahl, macht der Winter keine Qual.
- Nach Martinitag viel Nebel sind, so wird der Winter meist gelind.
- Wie St.Martin führt sich ein, soll zumeist der Winter sein.
- 15.11., Leopoldi: Der heilige Leopold ist dem Altweibersommer hold.
- 19.11.: Elisabeth zeigt an, was der Winter für ein Mann.
- 21.11.: Mariä Opferung klar und hell, naht ein strenger Winter schnell.
- 22.11.: Wenn es an Cäcilia schneit, dann ist der Winter nicht mehr weit.
- 25.11.:
- Ist an Kathrein das Wetter matt, kommt im Frühjahr spät das grüne Blatt.
- Wie es um Katharina, trüb oder rein, so wird auch der nächste Februar sein.
- 30.11.: Wirft herab Andreas Schnee, tut’s dem Korn und Weizen weh.
Anderes, Ergänzendes & Besserwisserisches rund um den November
- Die erste Novemberwoche ist die internationale Katzenwoche, beginnend mit 1. November. Die Mietzen werden da mit besonders gutem Futter und Aufmerksamkeit beehrt.
- November ist auch die Bezeichnung für das „N“ im ICAO-Alphabet.
Eines meiner Lieblingslieder, dass die Stimmung des Nebelmonats und die damit verbundenen Jahreskreisenergie wunderbar vermittelt, ist das Lied „Novemberrot“ von Dominik Plangger: