Dartmoorliebe, ein magischer Wald und Cream Tea – mit dem Käsehobel in England
Wer nicht weiß, was es mit dem Käsehobel und dieser Challenge auf sich hat (und es gerne wissen will ;): Lies am besten den ersten Beitrag, dann weißt du worum es geht.
Die Kurzform:
Für eine dreiwöchige Reise durch Irland und England habe ich mir als Ziel gesetzt, mit möglichst kleinem Gepäck zu reisen. Für all das, was ich sonst immer an Überflüssigem mit mir mitgeschleppt habe, reist der Käsehobel anstelle mit und sorgt auch unterwegs dafür, dass sich mein Zeug nicht vermehrt, Stichwort Käsehobel-Faktor. In den Käsehobel-Gechichten berichte ich über den Verlauf der Reise und die Orte, die wir besuchen.
Nach dem quirrligen, überdrehten und energetisch doch sehr fordernend Glastonbury ging es nach Devon, ins mystische Dartmoor.
Dartmoor … da hat man eine düstere, Hound-of-Baskerville Stimmung im Kopf, denkt an matschige Gatschwege und dicken Nebel, Moorleichen und Geister, die einen jagen … 😱
Soweit zur Fiktion, von zuviel Gruselfilmen gefüttert.
Die Wahrheit ist: Das Dartmoor ist eine ungemein bezaubernde und verzaubernde Landschaft. Endlose Weite, bunte Wiesen mit Heidekraut und Stechginster, dazwischen die berühmten Dartmoor Ponys (soooooo süß), Schafe und Hochlandrinder.
Eine Wohltat für Herz und Hirn, die hier Raum haben um sich auszudehnen. Die Seele kann durchatmen und ich gestehe: Ich habe mich in diese Landschaft, die menschenleere Weite und den Zauber, verliebt. Nach dem quirligen Glastonbury waren die beiden Wandertage im Dartmoor ein beglückendes Seelen-Spa mit hohem Genussfaktor.
Unser Hotel war in Chadford. Die Landstraßen hier sind teilweise noch enger, als die, mir schon gut bekannten und auch reichlich knapp bemessenen, irischen Straßen. Das macht die Anreise spannend, aber auch sehr reizvoll. Chagford selbst ist entzückend: eine alte, sehr typische englische Kleinstadt, gemütlich, charmant und wie die Kulisse für einen englischen Heimatfilm.
Die Zimmer im The Globe Inn, wo wir gewohnt haben, waren ein Traum – groß, exquisit und urgemütlich eingerichtet, mit vielen liebevollen Details. Und vom Fenster aus ein sonniger Blick auf den Friedhof der alten Moorkirche, die dem Erzengel Michael gewidmet ist.
Inhaltsübersicht
Ponyalarm!
Am ersten Tag gab es noch am Abend eine Dämmerfahrt durchs Moor und ich habe zum ersten Mal die berühmten Dartmoor Ponys in freier Wildbahn gesehen! Soooo schön – ich bin zum ponyliebenden Teenager mutiert. Neben den Ponys bevölkern auch Schafe, in verschiedenster Ausführung, wuschelige Hochlandrinder und bunte Kühe die endlose Landschaft des einzigartigen Hochmoores.
Unendliche Weite und Schönheit
Die Weite und Präsenz dieser Landschaft ist von unfassbarer Schönheit. Was kitschig klingt, aber ich kann es nicht anders beschreiben. Hier hat der Geist Raum um zur Ruhe zu kommen, man kann sich wieder selbst denken hören und ich hatte das Gefühl, endlich ausreichend Platz zu haben, zum Ruhen, um mich auszudehnen und wieder selbst wahrnehmen können. Friede, Weite, Stille, eine atemberaubende Natur – einfach unbeschreiblich schön.
Wir kamen ins Dartmoor, als der Stechginster und die Heidekraut-Sträuche in voller Blüte waren. Die Kombination aus gelb und lila, in vielen Farbabstufungen, ist wild und schön. Dazwischen stehen die Ponys und die Schafe. Hin und wieder hebt eins den Kopf oder kommt angetrabt, um zu sehen was es Neues gibt.
Die Tiere sind überhaupt nicht scheu und liegen, stehen, gehen natürlich auch auf der Straße. Sie wissen auch, dass sie immer Vorrang haben und da sie auch genug Zeit haben, um ihren Tag genießen zu können, bleibt einem als Autofahrer nichts anderes übrig, als ihnen dabei zuzusehen und zu warten, bis sie sich bequemen die Straße zu räumen.
Eichenmoor, ein schönes Lied und alte Steine
Im Dartmoor, dass seinen Namen dem alten Begriff für „Eiche“ verdankt, gibt es an die 2000 bekannte Steinsetzungen: Alignments, Kreise, Lochsteine …
Und dazu an die 5.000 Hut Circles, steineren Überreste von alten Rundhütten.
Die Landschaft war seit der letzten Eiszeit besiedelt. Was sich heute fast menschleer zeigt, war vor 10.000 Jahren eine der ersten Gegenden Englands, in der sich Menschen ansiedelten.
Damals wuchsen hier noch Unmengen an Zwergeichen. Doch bereits 2.000 vor Christus hatte man sie fast komplett gerodet und die Landschaft hatte bereits das heutige Aussehen. Bis auf ein paar kleine Wäldchen sind Bäume selten und nur versteckt, in sich plötzlich zeigenden Canyons. Der Mensch hat einmal mehr einer Landschaft seinen Stempel aufgedrückt und so sehr mich das Dartmoor heute fasziniert, stimmt es mich doch traurig, dass wir uns als Spezies für eine so gravierende Naturveränderung schuldig gemacht haben. Das wir daraus in gut 40.000 Jahren nicht wirklich viel gelernt haben, sorgt auch nicht unbedingt für Frohmut.
Ein Hauptgrund für das Abholzen der Wälder und die zunehmende Besiedelung während der Bronzezeit dürfte am Abbau des Zinns liegen, dass man hier gefunden hat. Zinn war ein Hauptbestandteil zur Erzeugung von Bronze (eine Legierung aus Kupfer und Zinn) und eher selten. Die Menschen im Dartmoor handelten damit und die Gesellschaft blühte. Mit Aufkommen des Eisen verlor die Bronze ihren Wert. Ein gesellschaftlicher Umbruch, der in weiterer Folge dazu führte, dass das die Menschen aus dem Dartmoor absiedelten und in andere Gegenden Englands zogen.
Im 19. Jahrhundert hat man im Dartmoor das Zinn wieder entdeckt und kurz abgebaut. Ein paar verlassene Minen sind aus dieser Zeit noch zu finden.
Das Militär hat im Dartmoor einen geschützten Bereuch und das Dartmoor Gefängnis ist vemrutlich auch einigen ein Begriff. Ebenso die Geschichte vom Hund von Baskerville.
Der Naturpark Dartmoor steht unter der Patronanz von Prinz Charles und die Direktive ist, die Landschaft in ihrer Urtümlichkeit zu erhalten.
In Postbridge, mitten im Dartmoor ist das Naturparkzentrum. Den Namen hat der Ort von einer Steinbrücke, die als Ersatz für eine alte Clapperbridge errichtet wurde. Diese alte Postbridge war die Inspiration für das Lied „Like a Bridge over troubled Water“ von Simon und Garfunkel ist (und ich danke Veronika Lamprecht und Harald Koisser ganz innig, für diese und die vielen, oh so vielen anderen Infos, Geschichten und Erzählungen! Ich liebe solche Hintergrund-Stories!).
Sehr spannend sind auch die vielen „Tors“, also die Hügel (Tor ist ein alter Begriff für Hügel oder Erhebung). Während „DER Tor“ in Glastonbury steht und keinen zusätzlichen Namen hat – er ist einfach „DER Hügel“, jeder weiß, was damit gemeint ist – haben die Tors im Dartmoor Namensergänzungen.
Typisch für die Landschaft sind auch granitene Steinskulpturen, vom Wind, der Landschaft und dem Wetter über die Jahrtausende gebildet. Es sind, wie im Waldviertel bzw. u.a. bei Eggenburg zu finden, klassische Wollsackverwitterungen.
Cream Tea mit Käsehobel
Nach einer wildschönen Wanderung durch das mystische Dartmoor waren wir bereit für einen weiteren kulinarischen England-Höhepunkt: Cream Tea.
Stilgerecht in einem englischen Landhaus, in unserem Fall war es das feine Two Bridges Hotel, das mitten im Dartmoor liegt.
Cream Tea ist eine Mahlzeit für sich – was die Kalorien betrifft. Es gibt Tee (natürlich, aber der spielt eine Nebenrolle, den braucht man nur zum Runterspülen), Scones (eher trockene, einem festen Brioche ähnliche, süße Gebäckteilchen), Clotted Cream (reines, süßes, cremiges Fett, von der Konsistenz her wie eine Mischung aus Butter und Schlagobers) und supersüße Erdbeermarmelade.
Die Clotted Cream ist das Zentrum beim Cream Tea – und sie ist meiner Meinung nach das Äquivalent zu unserem Schmalz, das bei kitschigen Heimatfilmen metaphorisch tropft. Mit einem Schüsselchen Clotted Cream hat man genug Kalorien intus, um einen Dreitausender zu besteigen.
Die Scones sind ohne Clotted Cream nur ein bröseliges Ding, das zwar fein schmeckt, aber staubtrocken ist und da hilft dann nicht mal mehr der beste Tee. Mit der Cream aber wird es wonnig.
Die zuckersüße Erdbeerkonfitüre ist alleine, in größerer Menge Diabetes auslösend und Zahnschmelz zerstörend. Aber wenn man sie in winzigen Dosen auf die Clotted Cream drapiert, dann ist das das lukullische Tüpfelchen auf dem i – nur so ist die Komposition perfekt.
Wer mal versuchen will, das daheim zu kredenzen: Hier gibt es eine Anleitung wie man Clotted Cream selbst machen kann.
Aber ich sag´s gleich: viel besser, weil vieeeel authentischer und vieeeeeeel stilvoller ist es, wenn man sich diese typisch englische Köstlichkeit in dem Ambiente gönnt, wie wir es genossen haben und sich das Ganze vor dem Kamin eines englischen Landhauses servieren lässt.
Nach diesem Kalorienanschlag waren wir in einem wohligen, intensiven Fresskoma. Es brauchte einiges an Willenskraft, um sich aus den nun viel zu bequemen Sofas zu erheben und den gastlichen Ort halbwegs aufrecht zu verlassen. Aber mit der richtigen Verlockung geht auch das und in unserem Fall war es ein sehr besonderes Ziel:
Wistmans Wood
Einer der magischsten Plätze auf dieser Reise, wenn nicht überhaupt der magischste, den ich jemals erlebt habe, ist Wistmans Wood. Es ist der letzte Rest der uralten Zwergeichenwälder, in einem kleine Wäldchen, nahe dem Two Bridges Inn.
Der Wald besteht hier seit gut 9.000 Jahren. Die Bäume wachsen in einem Feld aus Granitsteinen, die bunt durcheinandergewürfelt in allen Größe und Formen liegen. Alles ist mit Moos überwachsen, die lichten Flechten (Baumbart) hängen teilweise sehr lange von den Ästen. Die Bäume, die Steine, das Moos – alles zusammen ergeben ein unfassbar einzigartiges Szenario, wie man es nur in Märchenfilme, Fantasyromanen oder in einer uralten Erinnerung aus grauer Vorzeit zu kennen glaubt.
Der Ginster war an diesem Tag zusätzlich so intensiv goldgelb, als hätte sich das Sonnenlicht in einer Pflanze manifestiert.
Wistmans Wood ist ein zutiefst magischer, einzigartiger Platz, mit einer kaum zu beschreibenden energetischen Qualität – ein uralter, sehr heiliger Ort. Als würden sich die Anderswelt, das Dieseits, das Jenseits, das Oben und das Unten in einem Punkt gemeinsam manifestieren.
Es ist ein Ort, wie er einem aus den alten Geschichten bekannt ist, wo man einen Tag herumwandert und 1000 Jahre später wieder zurückkommt. Zwerge, Elfen, Feen und Naturwesen – hier ist alles möglich und physisch erkennbar.
Ein Platz, der niemanden unberührt lässt – ideal für Anfänger, wie es Harald Koisser ausdrückte. Wer hier nichts spürt, wer hier nicht in Kontakt mit der Natur und ihren Wundern kommt, der ist entweder tot oder emotional am Weg dahin.
Ich kenne viele energetisch spannende Kult und Kraftorte, aber mir ist noch niemals so ein zutiefst die Seele berührender Ort begegnet. Als würde man in die Tiefen eines pflanzlichen Smaragds eintauchen.
Diesen Ort zu verlassen hat fast physisch weh getan. Die Meditation im Zentrum des Waldes, auf einem der dick bemoosten Steine, einem anderen Steingiganten gegenübersitzend und diese unbeschreiblichen, über und über mit Moos, Farn und Flechten bewachsenen Bäume rund um mich, ist eines der intensivsten Naturerlebnisse, die ich jemals hatte. Die Bilder, die da kamen muss ich erst für mich verarbeiten.
Übrigens soll ich von den Wesen, die mir während dieser Naturtrance begegnet sind ausrichten: Wenn einem die kleinen goldenen Zwergelfen sagen, dass man sich im eiskalten Fluss waschen und darin herum stapfen soll, dann tut man das. Weil sie wissen was gut tut.
Pub Poesie
Nach so einem intensiven Tag in der wilden Landschaft des alten Dartmoors brauchte es eine besonders gute Erdung. Das Globe Inn, in dem wir wohnten, hatte neben einem Pub auch ein sehr gutes Restaurant, aber vor allem sehr lyrische Kellner, die ihren Job mit viel Freude und einem herzhaft, erdigen Schuss Poesie erledigten.
Auf die Frage, welches von den vielen angebotenen Ales heute passend und empfehlenswert sei, meinte unser Kellner:
„Take a bitter Otter (Ale).
It´s taste reminds me of the smell out of my grandfathers mouth on Sundays – when the men were sent to the pubs, while the women cooked the Sunday dinner. And when he came home I sat on his knee and smelt the scent of the delicious pints he had before.“
Ich habe noch niemals jemand so lyrisch über den Mundgeruch seines Großvaters reden hören, schon gar nicht wenn es darum ging, die Vorzüge eines Bieres anzupreisen.
Bei der Bitte um Hilfe bei der Auswahl eines Whisky, aus der gut 20 Sorten umfassenden Liste, empfahl er einen schottischen mit unaussprechlichem Namen, der drei mal gebrannt und dazwischen in unterschiedlichen Holzfässern gereift war, mit den Worten:
„This whiskey is the taste of a smell on a dreek Edinborough morning.“
„Dreek“ beschreibt einen Wetterzustand, zwischen „misty“ (leicht nebelig) und „drizzle“ (sanfter Nieselregen).
Zum Schluss dann die unausweichliche Bitte nach der Rechung, garniert mit der klassischen Scherzfrage „… oder kostets heute nix?„.
Die feine Antwort, an Klarheit nicht zu überbieten:
„If you want a drink on the house you would need a very long ladder.„
Käsehobelglück
- Keine Shops am Weg.
- Keine Gefahr für Kofferauffüllungen.
- Dafür durfte er beim Cream Tea dabei sein.
- Fazit: ein unbeschreiblich glücklicher Käsehobel ;)
Alle Geschichten/Beiträge von meiner Käsehobel-Challenge findet ihr hier.
Die Reise durchs magische Südengland wurde von Veronika Lamprecht und Harald Koisser geleitet und organisisiert. Infos dazu gibt es auf ihrer Website. Die Reiseberichte sind meine persönliche Erfahrung und nicht gesponsert.