Frühlingsbeginn 2021
10cm Schnee, mit Aussicht auf mehr und für die nächsten Tage sind tiefe Minustemperaturen angesagt. Der astronomische Frühlingsbeginn 2021 hat sich für ein sehr „cooles“ Outfit entschieden. Möglicherweise passend zur Stimmung im Land, die aber nicht viel mit dem Wetter zu tun hat. Abgesehen davon, dass schlechtes Wetter den Frust rundum noch verschärft.
Andererseits: Was ist „schlechtes Wetter“?
Schnee um diese Jahreszeit ist normal und stimmig. Das Nass, egal ob kühl oder nicht gefroren, ist hochnotwendig, der Winter war wieder einmal viel zu trocken. Doch in einer Zeit, in der unsere Gesellschaft durch eine Feuerprobe geht, die vermutlich nicht alle bestehen werden, bekommt das Wetter eine zusätzliche, noch intensivere Komponente.
Letztes Jahr, zu Beginn des Lockdowns, zu Beginn der ersten Welle, habe ich über den Stillstand beim Wachstumsbeginn geschrieben. Rückblickend, an weniger netten Tagen, frage ich mich, ob sich das Jahr seither überhaupt weiter gedreht hat.
Andererseits sehe und spüre ich intensiv, was sich verändert hat. Nicht alles ist schön, wie zum Beispiel die Erkenntnis, dass Menschen in solch einzigartigen Krisenzeiten zunehmend dazu neigen, ihren Egoismus auszudehnen, ihr rudimentäres Wissen als einzige Wahrheit einzubetonieren (klassischer Dunning Krüger Effekt) oder mit krass überzogener Aggression auf alles hinzubeißen, was sich nicht ihrer Wahrnehmungsbubble anschließen will.
Dennoch gibt es viele Lichtblicke, die Hoffnung machen und dass Licht und Schatten auch in der menschlichen Entwicklung Hand in Hand gehen, oft Seite an Seite, ist ein Naturgesetz, seit ewig. Diese Lichtblicke wahrzunehmen, sie bewusst hervorzuholen und mit Wertschätzung zu behandeln, ist eine der Aufgaben, die wir immer wieder in Angriff nehmen müssen. Denn das ist der Anker, der uns erdet und damit zu der Kraft verhilft, mit der man Deppen und andere Blödheiten des Daseins mehr oder weniger charmant in die Schranken weisen kann.
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, auf den wievielten Lockdown wir aktuell zusteuern. Irgendwas mit „3. Welle, 5. Lockdown“ oder so. Gefühlt ist es ein einziger seit Beginn des Dramas, der zwischendurch ein paar lockere Stellen aufwies, je nach Branche und Sichtweise. Andererseits gab es auch keinen 100%igen Shutdown. Dieses Netz hatte seit Beginn unterschiedlich große Lücken, die teils kreativ, mehr oder weniger legal ausgedehnt werden.
An Tagen wie heute, wo man eine der Speichen des Jahreskreises feiert, das Wetter mir die Flausen aus dem Kopf pustet, frischen Schnee hineinlegt und angesichts meiner sauren Miene einfach nur kichert … an diesen Tagen schenke ich mir einen Rückblick und eine Standortanalyse.
Das Jahr war tough und zugleich reinigend.
Unnützer Ballast wurde im mentalen Sperrmüll entsorgt, Klarheit hat Raum gewonnen und neue Probleme haben versucht sich breit zu machen. Doch der oktroyierte Trägheitsmoment namens „Lockdown-Feeling“ hat dafür gesorgt, dass sie nicht zu groß wurden. Jogginghose, Couch, Buch oder Film sind für mich die beste Therapie gegen zu intensives Grübeln. Allerdings wirkt sich diese Trägheit auch auf die neue Klarheit aus und im hellen Licht der Frühlings-Tag und Nachtgleiche sehen nicht nur die Fenster trübe und fleckig aus. Es schreit laut nach einem großen Frühlingsputz, innen und außen.
Es wird Zeit, den A….llerwertesten zu bewegen und die modrigen Gedanken mit Frühlingsschneebällen zu vertreiben. Unterm Schnee kichern bereits die Frühlingsblumen, unendlich zart, aber dennoch fit und der Kälte ohne Daunenjacke trotzend. Das sind die Role-Models, die wir aktuell brauchen.
Das Jahr war traurig, schmerzvoll und bitter.
Doch Bitterstoffe sind wichtig für die Verdauung und helfen bei der Leberreinigung. Die Trauer wird hingegen noch einige Zeit an meiner Seite gehen. Das ist ok, weil heilsam, wertvoll und tröstend. Tränen dürfen sein, sie lindern den brennenden Schmerz. Auch Wut über Dinge, die man nicht ändern kann, braucht ihren Raum – wie ein Frühlingssturm, der ungeachtet aller Barrieren das Unterste zuoberst kehrt, damit kein Stein auf dem anderen bleibt und man seine Fundamente wackeln spürt. Solche Stürme prüfen wie fest verankert man im Leben ist und lenken den Blick unweigerlich auf die Schwachstellen, an denen man arbeiten sollte.
Das Jahr war erneuernd, lebendig und stressig.
Was sich nach „super“ anhört, aber in Wahrheit sehr, sehr anstrengend ist. Denn Erneuerung braucht Kraft, viel Kraft. Und die muss aus den Bereichen kommen, denen man im klassisch-modernen Lebenslauf meist viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Wenn sich die Pflanzen draußen, unter der Frühlingsschneedecke, aufmachen, ihre Blätter und Blüten in die Welt zu schicken, dann ist das ein Akt extremer Kraftanstrengung.
Diese Wachstumsbewegung beginnt aus der absoluten Ruhe heraus. Der Funke dazu kam schon vor Wochen, doch bis das alles sich im Außen zeigen kann, hat es viel, sehr viel innerer, unsichtbarer Arbeit gebraucht. Wenn du heute die Primeln und Schneeglöckchen, die Palmkätzchen und Dirndlblüten siehst, dann schaut das hübsch, niedlich, frisch, zart und zerbrechlich aus. Doch dahinter steckt eine unglaubliche Kraftanstrengung und diese Blüten und Pflanzen halten viel mehr aus, als man ihnen auf Grund der zarten Optik zutraut. Genauso ist es mit dieser Erneuerung, die uns dieses wirbelige Jahr gebracht hat und die Zukunft noch bringen wird. Im Gegensatz zu den Pflanzen da draußen aber können wir uns aussuchen, welche Blüten wir treiben wollen.
Die Frühlings-Tag und Nachtgleiche ist einer von genau zwei Tagen im Jahr, wo sich Licht und Dunkelheit die Waage halten. Eine zarte, doch sehr mächtige Balance der Gegensätze und eine Einladung, sich dieser Balance im eigenen Leben bewusst zu werden. Licht ist nicht immer angenehm und der Schatten nicht immer eine Last, wir braucht beides für ein ganzes Leben.
Polarität bewirkt Spannung, woraus Energie entstehen kann, die immer wertfrei ist und erst durch eine aktive, bewusste Handlung eine helle oder dunkle Richtung bekommt. Oft erkennt man erst im Nachhinein, für welche Seite man sich entschieden hat. Doch sich für keine Richtung zu entscheiden, ist das schlimmere Übel. Denn Energie kann bekanntlich nicht vernichtet, nur umgewandelt werden – ein physikalisches Grundgesetz. Wenn du nicht selbst wählst, wohin sich diese Kraft richten soll, wenn du dich nicht für deine Blüten entscheidest, wenn du zögerst, dann wird sich die Energie von sich aus einen Weg suchen und dich in diese Richtung mitnehmen. Das kann toll sein. Oder eine brutale, fremdgesteuerte Achterbahnfahrt.
Das Schöne an dieser uralten Magie: Man kann sie auch gut in Jogginghosen, von der Couch aus wirken. Denn der Zauberspruch lautet „Ich entscheide mich für …“ oder so ähnlich. Ich denke, du weißt, was ich meine ;-)
Vielleicht ist ja das der geheime Hintergrund für diese Weltkrise, die unsere Gesellschaft umformt, unser Denken durchschüttelt und unreflektierte Ar***tritte in alle Richtung verteilt: Das wir aus unserer Trägheit aufwachen, unser Leben aktiv und bewusst neu gestalten, Verantwortung übernehmen, vor allem auch für unsere Mitlebewesen, den Planeten, die Natur und den ganzen Rest. Sich immer auf andere zu verlassen, der Herde hinterher zu trotten, sich auf „das haben wir immer schon so gemacht“ und „ja aber, die anderen machen das doch auch so…!“ auszureden, ist das Äquivalent für das Unterlassen der Entscheidung, in welche Richtung, in welches Projekt und Idee man seine Energie leitet.
Bedenke: Wer der Herde folgt, läuft immer den Är***en hinterher ;-)
Ich hoffe du verzeihst mir meine kleinen verbalen, südpolseitigen „Ausrutscher“ in diesem Text. Es ist nur so, dass man dann und wann eine etwas klarere, derb eindeutige Sprache braucht, um in Bewegung zu kommen. Und ich nehme mich davon gar nicht aus. Auch mein Trägheitsmoment dauert fallweise 24 Stunden, hat eine 7-Tage Woche und will nicht immer wachgeküsst, sondern dann und wann kräftig munter geschüttelt werden.
Also: Auf gehts, hoch mit dem Poppes, der Frühling IST da, in mehr als einer Hinsicht (hier nachzulesen im Beitrag „Wann beginnt eigentlich der Frühling“). Lass uns das Beste daraus machen, zu deinem, meinem, unserem Wohle, zum Wohle aller und für das große Ganze: In welche Richtung richtest du deine Kraft, deine Energie und deine Blüten?