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Erntedank-Gedanken: Dieses Jahr …

Ich habe dieses Jahr keine Fernreise unternommen
und bin dennoch einen weiten Weg gegangen.
Ich war nicht auf Urlaub
und doch bin ich weit gereist, nach Innen und in die Tiefe.
Ich bin wenig gegangen in diesem Jahr, es ging einfach nicht.
Dennoch habe ich viele Schritte unternommen. 

Ich bin an meiner Unwissenheit gescheitert
und habe dabei tiefe Weisheit in mir entdeckt.
Ich habe viel verloren
und dennoch ist noch immer soviel, vielleicht sogar alles da.
Alles, nur eben anders,
doch mit Sicherheit ist es genug.  

Ich hatte Angst, unglaubliche Angst.
Tiefe, verstörende, alte, neue und unaussprechliche Angst.
Doch dahinter habe ich alten Mut
und eine damit verbundene, unglaublich tiefe, alte, neue Kraft entdeckt.
Ich wurde verletzt und habe verletzt, mich und andere.
Um in manchen Fällen zu erkennen, das dass die einzig mögliche Therapie war, um zu heilen.
Mich und andere. 

Ich habe viel vergessen.
Dinge, die getan werden hätten sollen.
Menschen, an die ich mich einfach nicht mehr erinnern wollte oder konnte.
Aber mehr noch ist mir eingefallen,
viel mehr habe ich wieder entdeckt, neu kennengelernt
und gemeinsam haben wir uns erinnert an das, was wichtig war erinnert zu werden. 

Meine Füße habe mich nicht mehr ertragen,
also habe ich den Standpunkt gewechselt.
Als meine Ohren sich verschließen wollten,
habe ich begonnen nach Innen zu hören. 

Als mir die Erschöpfung zu viel wurde,
hat mich der Boden aufgefangen und sanft in die Arme genommen.
Zusammenbrechen ist auch eine Form des zu sich Kommens,
denn man landet ohne Zweifel am Boden der Tatsachen
und bekommt eine andere Ausgangsposition.

Das Jahr war gut zu mir, auch als ich nicht gut zu ihm war. 

Als mich die Einsamkeit aufzufressen begann,
als ihr dunkler Wolf mein Herz zu zerbeissen drohte,
erkannte ich, dass es nur der Schorf der jahrelangen Trauer war,
den er mir abnahm, zart und kompromisslos.
Darunter entdeckte ich glitzernde Lebensfunken,
mit frischer Hoffnung überzogen.
Ich umarmte den Wolf als Gefährten und ließ ihn liebend ziehen. 

Die häufigste Frage in diesem Jahr war „Warum?!“.
Gefolgt von „Wie soll ich das alles schaffen, ertragen, bewältigen …?“.
Gewürzt mit bitteren Tränen, die sich als tiefer Schmerz in meine Hirnwindungen eingruben
und immer weitere Schmerzwellen auslösten. 

Eine unendliche Folge von Erdbeben,
die meine Welt zu zerreißen drohten. 

Doch als die Tränen versiegten, als die Wellen abflauten
und ich keine Antworten mehr suchte,
wurde mir klar, warum es so sein musste,
es keine anderen Möglichkeiten mehr gegeben hatte,
und dass ein Phönix Feuer braucht, um sich aus der Asche erheben zu können.

Der Sommer hat mich restlos ausgelaugt,
fast verglühen lassen und zugleich gedroht mich zu ertränken.
Die tropischen Nächte und glutheissen Tage haben jeden Gedanken im Ansatz verbrannt,
nichts als erschöpfte Leere hinterlassend.
Eine Leere, die innerlich aufräumte und  notwendig war,
um Platz für die unerwartet gute Ernte zu erhalten,
die mir der goldene Herbst überraschend geschenkt hat. 

Auf vielen Wegen erkennt man erst am Ende,
wohin man unterwegs war.
Dieses Jahr war so ein Weg, auf dem ich einmal mehr gehen lernen musste,
meinen neuen Standpunkt fand und in jeder Faser meines Seins erschüttert,
durchgerüttelt, neu ausgerichtet wurde.
Es war unbeschreiblich furchtbar
und unfassbar belebend.
Es nahm die alte Kraft und gab neue Energie zurück. 

Es war in so vielen Dingen verstörend.
Doch nur so lange bis ich begriff, was störte.
Es war so schwer, dass es kaum zu ertragen war
und wurde so leicht, dass sich alles rundum drehte. 

Ich bin einmal zur Mitte des Universums gereist,
habe die Schwerkraft gespürt,
in das schwarze Loch hinein gesehen,
wurde wieder hinausgeschleudert ins Sein.

Nun fliege ich auf einer noch ungewohnten Umlaufbahn,
mit allen anderen um die Sonne kreisend und mit der Mondin tanzend. 

Das Jahr war gut zu mir, auch als ich nicht gut zu ihm war. 

Ich bin ihm dankbar dafür, bin mir dankbar dafür
und ich bin dem Aufgeben dankbar, das sich weigerte stattzufinden.
Denn die Ernte ist reich, trotz allem, was kaputt ging
und auch wenn nichts von dem, was ich gesät habe, aufgegangen ist.

Ja, das Jahr war weise.
Das Jahr war gut. 

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