Sommersonnenwende … was tun?
Um 6:24 war es soweit – 4 Minuten nachdem mein Wecker meinte, es wäre an der Zeit aufzustehen, nicht wissend, dass ich schon seit 40 Minuten wach war: Sommersonnenwende, der Höchststand der Sonne, ab nun gehts dann wieder bergab.
Kein Grund zur Panik, denn dieses Bergab ist mehr ein langsames Dahingleiten auf leicht abschüssiger Spur.
Inhaltsübersicht
Her mit dem Sonnwend-Ritual!
Die fleißige kleine Hummel, die auf dem Johanniskraut werkt, lässt sich von der Tagesbesonderheit nicht beeindrucken. Ihre Pollenbeutel sind schon früh am Morgen gefüllt.
Der Schmetterling daneben hingegen ruht sich auf der Rose aus. Der gelbe Marienkäfer, der beim Frühstück vorbei spaziert, hat wieder eine andere Tagesgeschwindigkeit.
Wo ist mein Tempo?
Irgendwo dazwischen, vermute ich.
Die Sommersonnenwende ist eines der vier Sonnenfeste im Jahr und Sonnwendfeuer stehen allenthalben auf der Festordnung. Meist ist es eher ein gemütliches Besäufnis, mit folkloristischem Hintergrund, und die Einnahmen fließen irgendeinem sozialen Projekt zugute. Soll sein.
Dem gegenüber stehen die durchgeplanten Sonnwendfeiern diverser spiritueller Orientierung. Im Christlichen wird überhaupt weniger die Sonnenwende, denn das Hochfest des Hlg. Johannes gefeiert.
In uralten, vorgeschichtlichen Zeiten, wurde diese besondere Zeit im Jahr natürlich auch gefeiert. Doch im Gegensatz zu unseren modernen Zeiten war der gesamte Alltag ein Ritual. Die frühen Menschen waren der Natur innigst verbunden, aus natürlicher Notwendigkeit heraus. Den Wetterkräften und der Umwelt ausgeliefert, mit für unser Verständnis „primitiven“ Werkzeugen versehen und ohne Funktionskleidung, war dieses Eingebundensein im wahrsten Sinn des Wortes natürlich.
Aus dieser Verbundenheit heraus war jede alltägliche Handlung zu einem Ritual – ohne bewusstes Ansinnen, sondern aus dem empathischen Spüren heraus, dass einzig diese Verbundenheit zwischen Sein und Nicht-Sein entscheidet.
Wer heute also keine Zeit für ein bewusstes, getimtes Ritual hat, der kann es ja mal auf die uralte, archaische Weise probieren.
Das kleinste Ritual der Welt?
Einatmen, ausatmen und die Zeiten dazwischen genauso bewusst wahrnehmen, wie das Wunder des Atmens selbst, dass so unbewusst abläuft, dass wir es gar nicht mehr wahrnehmen … bis es eines Tages nicht mehr da ist.
Noch kleiner und noch weniger bewusst, ist der Herzschlag, der gleichfalls eine aktive Zeit und eine Rückzugsphase hat, mit jeweils zwei minimal kurzen Umkehrzeiten.
Das längste Ritual der Welt?
Beginnt vielleicht mit dem Moment, wo man die Augen aufschlägt und beschließt, den Tag mit jedem Atemzug und jeder Handlung als Ritual zu sehen. Jeder Fuß ein Gebet auf Mutter Erde, jeder Handgriff ein Danke an das Sein, jedes Wort ein bewusst gesprochener Segen – auch wenn es sich um so Alltäglichkeiten wie „Guten Morgen!“ und „Was gibts zu Essen?“ oder (ganz besonders!) um ein „Dankeschön“ handelt.
Einatmen – Ausatmen und das Leben feiern: Die Sonnenwende
Es braucht nicht immer ein durchgestyltes, organisiertes oder geplantes Ritual. Es reicht der Wille, dass man sich des Ganzen (um nicht zu sagen: des GROSSEN Ganzen) bewusst wird und einen entsprechenden Entschluss fasst.
Mein Sonnwend-Tag
Zur Feier des Tages habe ich heute beschlossen den „heiligen“ Tee zum Frühstück zu kredenzen: japanischer Schattentee, eine Besonderheit, die auch Flugtee genannt wird. Die Blätter werden 10 Tage vor der Ernte mit Tüchern beschattet, damit sich dieses spezielle Aroma entfalten kann.
Mein Kalender hat mir für heute frei gegeben, mit ein paar geplanten Einschränkungen. Der Entschluss, den Tag bewusst zu begehen, ist das, was ich situative Planung nenne.
Mein situativ-geplantes Ritual zur Sonnenwende:
- Genussfrühstück im sonnigen und noch kühlen Garten, unterm schattigen Schirm und dazu der unbeschreiblich köstliche japanische Tee … denn Rituale sind dann besonders kraftvoll, wenn man Alltäglichkeiten in etwas Besonderes verwandelt.
- Roter, kraftvoller Rübensaft vom Bauern, aus dem nächsten Ort … denn die rote Wurzelkraft ist genau das, was ich nun brauche.
- Vogelgezwitscher, dass sich entfernt nach Gezetter anhört und man muss schon sehr genau hinhören, um den Unterschied zu erkennen … denn im menschlichen Alltag ist es zur heißesten Sommerzeit nicht anders.
- Ein Ausflug nach Mariazell, mit meiner „irish Mum“ Mae, die eine Woche auf Besuch gekommen ist (und das allein ist schon ausreichend Grund für Fest und Ritual!), inklusive Lebkuchen und allem Drum und Dran … denn auch Kitsch und Klassiker haben sich achtsame Wertschätzung verdient.
- Abends dann kein Sonnwendfeuer, sondern, je nach Wetterlage, Kerzen und Gespräche im Garten oder indoor … denn nicht die Größe des Feuers ist ausschlaggebend, sondern dass man auch die kleinen Funken wahrnehmen lernt.
Noch weht ein annähernd kühler Wind und die fast ganz reifen Kirschen leuchten am Baum. Die „Aloe der Alpen„, die Hauswurz, blüht und wie jedes Jahr bin ich fasziniert von dieser alien-haften Grazie, mit der ihre Blüten aus den dicken, fleischigen Blättern hervorkommen. Wie eine Miniatur-Urgewalt. Fehlt nur noch ein kleiner Saurier und man hat einen guten Eindruck, wie unsere Welt vor ein paar Millionen Jahren ausgesehen hat.
Die Hummel brummelt weiter, sie ist mir heute definitiv zu hektisch. Auch wenn ich ihre unermüdlich Betriebssamkeit bewundere und wie sie genau weiß wo nun was zu holen ist (Hummeln fliegen übrigens nicht, sie schweben auf der, durch den hohen Flügelschlag verdichteten Luft. Auch ein unauffälliges Wunder der Natur). Der weiße Schmetterling auf der Rose ist mir hingegen zu statisch. Ich folge heute lieber dem Marienkäferchen, den man auf englisch so passend „Ladybird“ nennt.
Die Ringelblume, die ich aus dem Garten meiner Mutter vor der Deklaration zum Unkraut gerettet habe, belohnt meine Tat mit einer kraftvollen Blüte in meiner Lieblingsfarbe: Orange.
Die Walderdbeeren muss ich mir mit den Schnecken teilen, aber da genug da sind (Erdbeeren, nicht Schnecken) bin ich nicht neidig und hoffe, dass diese gute Tat nicht ausgenutzt wird ;)
Und während ich dem Leben rund um mich zuhöre, den magischen Moment genieße und mich so gut eingebunden fühle wie selten zuvor, arbeiten meine Finger die naturbunte Strickjacke fertig … und mein planerisches Ich freut sich, denn die Sommersonnenwende habe ich mir als Fertigstellungsdatum gesetzt (Plansoll erreicht, Ego freut sich, es darf gefeiert werden).
Der Garten feiert die Sonnenwende auf seine Weise, ich darf zuhören und daran teilhaben. Das Ritual, dass sich dabei entwickelt ist sanft, still und sehr situativ. Aber genau deshalb besonders kraftvoll und nährend.
Sommersonnenwendepunkt
Die Natur spielt den Takt, wer aufmerksam zuhört, kann danach tanzen. Ich zieh die Schuhe aus und lass mich vom Gras kitzeln – eine irr gute, nährende Kraft vibriert da unter meinen Füßen, fordert auf dem Rhythmus zu folgen.
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4 Comments
Barbara Strach
ich finde es sehr schön diesen Tag in Stille und bewußt zu begehen. Es muß nicht immer mit viel Tamtam sein. Auch ich mag die Ruhe und mit allen Sinnen zu genießen. Vielen Dank für den schönen Beitrag und die Bestätigung meiner Gefühle.
Michaela Schara
Ja, so eine sanfte Stilleparty in und mit sich hat was … Danke für dein Feedback und ich hoffe, du hast den Tag in deinem Sinne, mit Ruhe und Stille genießen können!
Marion Berger
tanzen mit oder ohne Feuer – spüre das Feuer in Deinen Hüften
Michaela Schara
Eine wunderbare Art, die Sonnenwende zu verinnerlichen!