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Das Räuchern & die Rauhnächte – macht der Hype Sinn?

Rund um die Rauhnächte ist das Thema besonders aktuell, aber auch sonst sieht und liest man, dass Räuchern wieder in Mode kommt. Wie bei Hypes leider üblich ist das Angebot rasch unüberschaubar, jeder weiß etwas dazu und den Rest erfindet man mal eben, was dem Sinn des Ganzen keinen Dienst erweist.

Denn Räuchern ist eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Mit dem Feuer hat auch der Rauch bei uns Einzug gehalten. Von der Beherrschung des Feuers, um Nahrung genießbar zu machen, bis zur rituellen Anwendung war der Schritt sehr, sehr klein. Was auch an der damaligen Weltanschauung liegt.

Für die ersten Menschengemeinschaft war die Natur, alles rund um sie herum, beseelt. Sie empfanden sich als Teil dieses großen Ganzen und sahen sich auf Augenhöhe mit allem, was war. Alltägliche Handlungen waren demnach auch Kulthandlungen. Das Tischgebet vor dem Essen ist möglicherweise ein winzig kleiner Teil dieser Verbundenheit, die sich von damals bis heute erhalten hat.

Somit war auch der Rauch ein täglicher Begleiter. Einerseits um Fleisch haltbar zu machen, damit man im Winter davon leben kann. Andererseits war (und ist) das sanfte Verglühen von Kräutern und Harzen ein Vermitteln von Botschaften, ein Bestandteil von Heil- und Hilfsritualen oder als kleine Handlung zwischendurch, um sich und der Umgebung Gutes zu tun.

Im Zuge der Sesshaftwerdung im Neolithikum haben sich zwar die Paradigmen in der menschlichen Weltanschauung massiv gewandelt – von der Augenhöhe mit allem Beseelten rundum, ging man dazu über sich als Herren über allem zu sehen, und der Rauch war weiter wichtiger Bestandteil zahlreicher Riten. Im kirchlichen Kontext hat er bis in unsere Zeit überlebt, ebenso in zahlreichen regionalen (auch alpenländischen) Bräuchen.

Leider ging ein immens großer Erfahrungsschatz rund um Inhalt und tieferen Sinn unserer alten Bräuche im Mittelalter verloren. Unsere rituellen, schamanischen Wurzeln zum animistischen Wissen unserer Vorfahren wurden buchstäblich verbrannt. Der einzige heilig/heilende Rauch, der noch gestattet war, war der in den kirchlichen Messen oder im kirchlich sanktioniertem Brauchtum.

Heute suchen immer mehr Menschen den Zugang zu diesen verloren gegangen Wurzeln und auch wenn sich hier ein weiterer Hype bildet, diesmal rund um das Schamanentum, sehe ich diese Suche als etwas sehr Positives. Wir brauchen eine bessere, innigere Verbindung zur Natur und eine Neufindung unserer animistischen Wurzeln. Nur wenn wir uns wieder als Teil und nicht als Herren dieses Systems wahrnehmen und verstehen, können wir unsere innere Ausrichtung und unsere Handlungen wieder in Einklang mit diesem System bringen, es und uns heilen.

Die Rauhnächte sind ein Überbleibsel aus ältester Zeit. In den Ländern, wo die Sonne im Winter wenig, kaum oder gar nicht schien, war die dunkelste Zeit nicht nur eine in der man sich in den Häusern zusammenfand, um im Schutz der Gemeinschaft Sicherheit und Geborgenheit zu finden. Man wusste auch um die nicht-körperlichen Gefahren, die mit den dunklen Tagen einherging: Dämonen, Totenseelen und die wilde Jagd beherrschten die Zeit zwischen den Jahren. Es galt still zu sein, Ruhe zu geben, die rituellen Vorgaben zu befolgen und damit war dies auch die einzige Zeit im Jahr, wo man ausschlafen konnte und sich erholen, denn die schwere Arbeit hatte zu ruhen.

Das klingt für uns heute nach Aberglauben. Aber überleg mal still selbst wie es dir geht, wenn du in absoluter Dunkelheit allein ausharren musst und wie sehr du dich vielleicht auf ein paar freie Tage, ohne To-Dos freust. Den Menschen früher ging es ähnlich.

Die Dämonen der damaligen Zeit waren recht lebensnah: Hunger, Angst vor schlechten Ernten, Krankheit, Unfruchtbarkeit bei Mensch und Tier …
Unsere heutigen Dämonen haben andere Gesichter: Soziale Einsamkeit, Verlust der Arbeit und damit des Einkommens, unterträglicher Stress, Angst vor Burn Out, Unfälle und Erkrankungen, gegen die es keine schnelle Hilfe gibt, Verlust von PartnerInnen, egal aus welchem Grund, … usw. Es gibt für jeden genug Sorgen, die man sich machen kann.

Den alten wie den neuen Dämonen ist eines gemeinsam: Sie kommen aus unserem Inneren und sie nähren sich an unserer Angst, um sie zugleich anzufeuern. Die Dunkelheit lässt sie riesengroß werden, denn da wandert unser Blick nach Innen und da haben viele schon sehr, sehr lange keinen Blick mehr hinein geworfen.

Die Winterzeit, speziell die Zeit rund um die Sonnenwende, ist die Hochzeit dieser Ängste. Dazu braucht man keine Statistiken befragen, wo man erfährt, dass Depressionen, Selbstmorde, Vereinsamung und psychische Notfälle überhand nehmen. Es reicht, wenn man sich im Bekannten- und Freundeskreis umsieht oder den Blick über die Familie gleiten lässt, tief ins eigene Innere hinein. Wer von uns ist gänzlich frei von Angst-Dämonen?

Drei Corona-Jahre haben das ihre zur Dämonenfütterung beigetragen und ich fürchte, dass wir mit den Spätfolgen dieser Angstschleuder noch lange zu tun haben werden.

Vielleicht ist aber auch das der Grund, warum das Räuchern mit Kräutern und Harzen ein Revival
feiert und ich persönlich finde es gut, wenn wir uns mit diesem ältesten Teil unserer Rituale, generell mit Ritualen, wieder neu beschäftigen. Dabei geht es nicht darum die alten Bräuchen 1:1 neu aufzulegen. Das wäre wie ein Theaterstück und würde keinen Sinn finden im heuten Dasein. Wir sind vielmehr gefordert unsere eigene Sichtweise rituell neu zu entwickeln – wir brauchen Rituale, die in unserer Zeit Sinn machen und uns den Halt geben, den wir so dringend brauchen.

Gegen die Welle an Infos im Netz, mit unzähligen Tipps und Hinweisen wie man Rituale abzuhalten hat, was es alles unbedingt zu beachten gibt, helfen, wie bei vielen Dingen, zwei Punkte ganz besonders: Hausverstand und Intuition.

Besonders das Angebot an Rauhnachtsritualbegleitungen ist unüberschaubar und die Regeln für diese, immer als überliefertes Ritual verkauften „Begleitungen“, sind teils abstrus. Es hackt schon beim Beginn und Verlauf der Rauhnächten. Bei den einen starten sie zur Sonnenwende, bei den anderen am 24. oder 25.12, bei wieder anderen ist der Neumond davor oder danach der richtige Zeitpunkt usw. usf. Immerhin sind sich die meisten einig, dass mit dem 6. Jänner Schluss ist.

Darum hier ein großer Tipp aus tiefstem Herzen: Welche Version du wählst, bleibt dir überlassen – du kannst NICHTS falsch machen. Wenn du zur Wintersonnenwende beginnen magst deine Rauhnächte zu zelebrieren, passt das genauso wunderbar, wie wenn du in der Nacht des 24. oder 25. anfängst.

Wenn du 12 oder 13 Rauhnächte feierst, orakelst, rituell begehst, ist das genauso wirksam, wie wenn du nur die „wichtigsten“ beachtest. Wobei du selbst festlegen kannst, welche wichtig und welche weniger wichtig sind. Und wenn es nur einmal ist, dann ist auch das gut – Qualität vor Quantität!

Wenn du keine Ahnung hast, wie du diese Zeit „feiern“ sollst, du dich mit Ritualanleitungen nicht beschäftigen willst, aber dennoch das Gefühl hast, etwas tun zu wollen, dann verrate ich dir hier das ultimativste kürzeste und dennoch hilfreiche Ritual für die Rauhnächte: Mach einfach NICHTS. Buchstäblich. Der Atmen kommt und geht von selbst, die Erde, das Sonnensystem, die Galaxie … alles dreht sich weiter und bewegt dich mit rasender Geschwindigkeit durch den Raum. Du bist nicht bewegungslos, sondern reist auf dem Rücken von Mutter Erde.

Gib Ruhe, lass die (schwere) Arbeit sein, bleib am Sofa, atme, schlafe, erhol dich, lass die To-Dos liegen, dreh dein Handy ab und genieß die Stille. Wenn du magst, kannst du eine Kerze anzünden, räuchern, beten, meditieren, Mantren singen oder was auch immer du als für dich gut und angenehm empfindest. Es ist DEINE stille Zeit und das zu beherzigen, ist schon mal ein sehr großes, tief wirksames Ritual, die all dem, was sich im neuen Jahr ergeben soll, unglaublich viel Kraft schenkt.

Neu zum Rauhnachtshype kommen nun die Sperrnächte hinzu, die ein sehr regional beschränkter Brauch waren und in früheren Zeiten sicher nicht den Schwerpunkt hatten, den man ihnen heute gibt. Denn sich 24 -30 Tage nur mit Ritualen, Rück- und Vorschauen zu beschäftigen, war im damaligen Alltag der Menschen zeitlich einfach nicht machbar. In heutiger Zeit macht diese Phase insofern Sinn, als man Anfang Dezember anfangen sollte sich einzubremsen, damit man rund um Weihnachten „still steht“ und zur Ruhe gekommen ist. Somit sind die modernen Sperrnächte vielleicht eine kleiner Schritt hin zu einer besseren, neuen „Winter-Weihnachtskultur“. Der Advent ist die kirchliche Version davon und bereitet uns in 4 Wochen auf das Fest vor, das rund um die Sonnwendnacht gefeiert wird: Die Geburt Jesu oder, im alten Kontext, auf dem auch der christliche aufbaut, das Ende der Dunkelzeit, die Rückkehr des Lichts.

Die heiligen Tage rund um die Wintersonnenwende, wenn die Sonne sich an ihrem finstersten Punkt befindet und in den Ländern des Nordens wochenlang nicht zu sehen war, wurden in so gut wie allen Kulturen rituell zelebriert.

Die Rauhnächte sind auch die viel beschriebene Zeit zwischen den Jahren. Entstanden sind sie vermutlich als Differenz zwischen dem Mondjahr und dem Sonnenjahr. Sie bilden somit die Brücke zwischen dem Alten, das nun geht, und dem Neuen, das tief im Dunklen geboren wird. Dieses Neue musste einerseits gerufen werden (in dem man z.B. den Seelen der Verstorbenen gedachte und sie bat, wieder in dieser Familie zu reinkarnieren) und andererseits beschützt werden, eben vor den besagten Dämonen, damit es nicht schon am zarten Beginn mit diesen Ängsten konfrontiert wird.

Ein essentieller Bestandteil der Rauhnachtsbräuche war und ist eine Hausräucherung.
Die hatte durchaus auch sehr praktische Gründe: In der Winterzeit waren Mensch und Vieh hauptsächlich indoor. Gerüche, Bakterien und Viren hatten ein wunderbares Revier. Somit war (und ist) das Ausräuchern der Wohnungen und Ställe auch ein Reinigungsakt, zum Desinfizieren und um dem Gestank Herr zu werden, aber auch um die Abwehrkräfte zu steigern.

Mit ausgewählten Kräutern und Harze wurde aber auch psychisch „ausgemistet“, um mittels dieser Düfte die seelischen Abwehrkräfte mobilisiert. Das Johanneskraut, zum Beispiel, eines der klassischen Sommersonnwendkräuter, ist auch in heutiger Zeit als „Lichtbringer“ beliebt und findet sogar in der Schulmedizin Einsatz. Ebenso die Mistel, die seit langem als Unterstützung bei der Krebstherapie in Verwendung ist, und als Räuchermittel negative Schwingungen in Räumen ins Positive drehen kann.

Der Beifuß wiederum, unser ältestes Heil-, Würz- und Ritualkraut, sorgt nicht nur dafür, dass das fettes Essen bekömmlicher wird (Bitterstoffe). Er war (und ist) zugleich ein Öffner zwischen den Welten, ein Vermittler, der aber auch Schutzfunktion hat.

Der Salbei ist eher neueren Datums, aber spätestens seit der Römerzeit weit verbreitet. Das Mittelmeerkraut trägt seine Wirkung bereits im Namen: Salvia bedeutet „Heilung“. Salbeirauch hat somit eine heilende/heiligende Wirkung und trägt von dieser Seite her viel zur energetischen Reinigung bei. Er ist eher „männlich“, von der energetisch Wirkung her. Daher wäre die ideale Kombination mit Beifuß, der eher „weiblich“ ist, um beide Aspekte zu verbinden, oder mit Zederspitzen oder Thuje, die gleichfalls weiblich aspektiert sind.

Sehr modert ist aktuell auch der amerikanische weiße Salbei, der einen eigenen Hype im Hype bildet und bei uns importiert werden muss. Wer heute kein Smudgebündel mit weißem Salbei daheim hat, wie man den Kräuterstab auch nennt, gilt als unspirituell.

Ich mag den weißen ebenso wie den Gartensalbei – es sind beides wunderbare Räucherstoffe. Aber es wird immer so hingestellt, als wäre der weiße besser als unser simpler Gartensalbei. Darum klipp und klar: Der Gartensalbei steht dem weißen Salbei in seiner Wirkung in Nichts nach.

Beim Duft und der tieferen, spirituellen Wirkung gibt es naturgemäß Unterschiede, die aber kein Abschlag sind, sondern eine individuelle Komponente.

Welchen Salbei man nimmt ist etwas, was man für sich selbst herausfinden muss. Was generell für alle Kräuter, Wurzeln und Harze gilt. Denn die Wirkung dieser Räucherstoffe hat auch etwas damit zu tun, wie wir sie kennen bzw. welche gedankliche und emotionale Verbindung man zu ihnen hat. Letztere wird primär vom Riechen gesteuert und da kommt unser Stammhirn ins Spiel, das sich am logischen, rationalen Denken vorbei einen Weg bahnt, wenn ein Duft sich breit macht: Beim Riechen hat das Denken Pause und die Gefühle, Erinnerungen und Empfindungen übernehmen das Ruder.

Kombiniert wurden und werden die Kräuter mit Harzen, die man im ländlichen Bereich meist von den Nadelbäumen gewann (Föhre/Kiefer, Fichte, Tanne …) und in späteren Zeiten, bzw. im eher städtischen Bereich, mit Weihrauch oder anderen exotischen Harzen ersetzte.

Weihrauch hat neben der spirituellen Wirkung auch eine desinfizierende. Womit auch erklärt ist, warum er bei christlichen Messen in intensiver Form eingesetzt wurde und wird. Da sich hier die Menschen des Ortes zusammenfanden, war es notwendig Gerüche und mögliche Krankheitserreger (auch eine Form von Dämonen) in Bann zu halten. Und ich kann mir vorstellen, dass speziell in der langen Winterzeit eine duftende Messe eine Wohltat war im Vergleich zum (überfüllten, stickigen) Daheim. Zudem sorgt (qualitativ guter!) Weihrauch auch dafür, dass man leichter in Trance gerät, sich die Tore zwischen den Welten öffnen und man in spirituellen Kontakt kommt.

Nicht nur deswegen ist es wichtig beim energetischen Räuchern eine innere Intention zu haben, mit der man den Sinn der Handlung in die gewünschte Richtung bringt. Nur Räuchern ist nett. Aber Räuchern mit innerer Intention ist heilsam und wirkt: Über die Düfte werden bestimmte Areale im Gehirn aktiviert und die rituelle Handlung sorgt dafür, dass man das Gefühl hat, aktiv etwas  tun zu können, zum Beispiel gegen die drückende Dunkelheit, sich zu schützen, zu stärken, einen Bund zu schließen mit dem, was und wer einem hilft oder helfen soll …

Damit ist Räuchern eine Unterstützung, die wir auch heute sehr gut brauchen können, nicht nur in den Rauhnächten. Schließlich zählt eine Hausräucherung auch zu den klassischen Methoden die geomantische Ortsqualität eines Raumes zu optimieren bzw. das, was sich energetisch angesammelt hat, zu bereinigen oder den Raum für bestimmte Handlungen vorzubereiten.

Je öfter man sein Zuhause räuchert, desto stimmiger wird die Grundqualität des Ortes und die Reinigung wird auch mit jedem Mal leichter. Man kann allfällige Wasseradern oder Elektrosmog zwar nicht wegräuchern und auch bei den Verwerfungen haben die Düfte Pause. Aber all das, was sich von menschlicher Seite energetisch und emotional in den vier Wänden ansammelt, kann mittels Rauch bereinigt und geklärt werden. Und das ist eine ganze Menge.

Im zweiten Teil findest du eine Anleitung, wie du eine Hausräucherung durchführen kannst. Und schon mal ein kleiner Spoiler vorweg: Es ist einfacher, als du denkst und man kann kaum etwas falsch machen dabei!

Hast du Ergänzungen oder Fragen rund ums Räuchern? Dann schreib sie in die Kommentare! Ich freue mich auf den Austausch und beantworte deine Fragen sehr gern – wenn ich eine Antwort weiß ;-)

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