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Alleine Rituale feiern – geht das? Macht das Sinn?

Das Leben ist ein Fest, dass man im besten Fall mit lieben, gleichgesinnten Menschen feiert – dann und wann, zu bestimmten Gelegenheit und im günstigsten Fall ein Leben lang. In der Realität ist es allerdings meist anders. Im besten Fall gibt es FreundInnen und Familienmitglieder, die einen auf dem einen und anderen Weg begleiten und mit denen man zumindest Abschnitte des Daseins feiert. Häufig findet man sich zu den sog. „Hochfesten“ zusammen, feiert gemeinsam Weihnachten, Ostern, Geburtstage und persönlichen Festtage. Aber auch das ist nicht immer möglich und auch dazwischen ist es nicht immer so, dass man niemand an seiner Seite hat, wenn die Zeit es gebietet oder es die Laune freuen würde ein Fest zu feiern, ganz zu schweigen von einem Ritual. Es wäre schön und jetzt wunderbar stimmig zu feiern, ein Ritual zu gestalten – aber allein? Oder Freunde und Gleichgesinnte?

Ich wage zu behaupten, dass es vielen leicht fällt, ein Ritual mit anderen gemeinsam zu gestalten und ein Ritual gemeinsam mit lieben Gleichgesinnten zu zelebrieren ist natürlich super! Da kann sich eine besondere Dynamik ergeben, abhängig vom Engagement der Beteiligten. Man fühlt sich eingebunden und als Teil einer Gruppe, die das gleiche Ziel verfolgt. Naturgemäß ist und war das auch einer der Hauptgründe für ein Ritual, eine Zeremonie, eine (Mess)Feier: Die Gemeinschaft, das Miteinander, die Verbindung untereinander zu stärken und zu aktivieren.

Aber wie gesagt: Das ergibt sich eben nicht immer. Manchmal naht ein Fest und man weiß, dass man es alleine feiern … muss? … will? Oder es einfach auslässt, weil alleine feiern … nun ja, das klingt schon im Ansatz sehr trostlos.

Ich habe aus unterschiedlichsten Gründen einiges an Erfahrung angesammelt, was das alleine Feiern betrifft und ich kann dir versichern: Es ist alles andere als trostlos, im Gegenteil. An den (Fest)Tagen, wo ich mich besonders einsam und von allen verlassen gefühlt habe, war es das Ritual, die Zeremonie mit mir selbst, die mir unglaublich viel Kraft, Trost und Freude gegeben hat. Ich habe auf der anderen Seite auch schon viele Rituale zusammen mit anderen erlebt und auch wenn es toll ist gemeinsam zu feiern, so waren da durchaus auch einige dabei, die rückblickend unter „… na ja, war eh ok“ gelaufen sind. Das ist mir beim alleine Feiern noch nie passiert.

Allerdings braucht es vorweg einen ordentlichen Tritt in den Allerwertesten des inneren Schweinehundes. Nicht damit es gut wird, sondern damit es generell stattfindet. Denn von allen Dingen, die man tun muss, damit ein Ritual alleine gut wird, ist das der einzige Fixpunkt, den es wirklich vorweg braucht.

Ein Ritual ist, im landläufigen Verständnis, eine Zeremonie, die in einer bestimmten (oft überlieferten aka ritualsierten) Handlungsfolge abläuft. Es gibt einen Anfang, eine Mitte, die einem bestimmten Thema Raum gibt, einen Abschluss und meist, nicht immer, eine abschließende Erdung in Form eines gemeinsamen Mahles. Je nachdem in welchem Zusammenhang das Ritual stattfindet und welche spirituelle oder religiöse Richtung zugrunde liegt, gibt es noch weitere Vorgaben, die eingehalten werden sollen.
Doch die sind oft flexibel, nicht starr und unveränderbar. Wenn du mir nicht glaubst, besuche christliche Messen in unterschiedlichen Ländern und Orten. Die folgen zwar einem Leitfaden, haben aber meist regional starke Unterschiede und Besonderheiten. Auch jede/r MessleiterIn hat seinen/ihren eigenen Stil und Vorlieben für bestimmte Abläufe und Fixpunkte.

Ein Ritual lebt nicht auf Grund eines vorgegebenen Ablaufschemas, sondern nur von der Intention der Beteiligten – also wie sehr sich die Menschen darauf einlassen und es innerlich mittragen. Ich habe schon Rituale erlebt, die ohne Vorbereitung, ohne „rituelle“ Gegenstände und vom Ablauf her komplett aus dem Ruder gelaufen sind und die trotzdem unglaublich stark, gelungen und erfolgreich waren. Und Rituale, die technisch korrekt, quasi nach Lehrbuch abliefen, wo  aber die innere Anteilnahme der Beteiligten an seelenlose Betautomaten erinnerte. Als Beteiligte verbucht man das dann als gestohlene Lebenszeit.

Der Unterschied zwischen touristischem Brauchtum und einem lebendigen, tief wirkenden und nährenden Ritual liegt also nicht in der „korrekten“ Ausführung der Anrufungen, den speziellen, geweihten Gegenständen, dem exakten Zeitpunkt der Handlung oder ob die handelnden Personen „gesalbt“ sind oder Laien. Er liegt einzig und allein in der inneren Haltung derer, die da sind – passiv oder aktiv, egal wie viele es sind. Es reicht eine Person.

Das bedeutet, DU kannst mit DIR für DICH ein stimmiges Ritual, eine heilige Zeremonie feiern und das einzige, was du dazu brauchst, ist der Wunsch, dass es stattfindet, dass du es aktiv und bewusst feierst.

  • Du kannst dich beim Ablauf an die klassischen Handlungsstränge halten oder dir einen für dich passenderen überlegen.
  • Du kannst den Zeitraum und -rahmen selbst bestimmen und die Zeit wird passen.
  • Du kannst die Dekoration, den Altar, den Schmuck, deine Kleidung … schlicht alles selbst gestalten, aufwendig und üppig oder klar und simpel – wie es eben für dich passt.

Was auch immer du machst:
Du hast die Oberhoheit und es wird stimmen. Sofern du dich an die einzig absolute Ritualregel hältst: Sei. Ganz. Da. Sei innerlich dabei, lass es in dir beginnen und der Rest wird sich ergeben.

Ich habe unter anderem heuer die Sommersonnenwende sehr spontan zu einem solchen ich-mit-mir-Ritual genutzt. Die Pläne waren ursprünglich andere, aber das Leben hat das kurzfristig geändert. Noch am Nachmittag war ich der Meinung, dass der Abend mit Chips und Film auf der Couch ausklingen würde. Doch beim abendlichen Spaziergang mit unserem Hundemädchen fanden sich Blumen, Kräuter und Pflanzen, die sich fast wie von selbst zu einem Kranz gebunden haben. Der Spaziergang wurde im Gehen zu einem rituellen Naturgang. Der Wunsch, diesen sanften Beginn daheim mit einer Feier fortzusetzen, wuchs mit jedem Schritt. Das Wetter war passend – der Nachmittag war noch heiß und sommerlich, doch am Abend fanden sich Regenwolken am Horizont und der Sonnenuntergang wurde mit leisem Donnern eingeleitet. Meine zu diesem Zeitpunkt unaufgeräumte Terrasse mit Blick in den tief sommerlichen Garten war der perfekte Raum und ich wusste, dass ich mehr als genug Zeit hatte, tief in diesen energetischen Rahmen einzutauchen.

Ich hatte nicht mal einen besonderen „Wunsch“, das Thema war einfach: „Da sein, danken, das Leben feiern und schauen, was sich ergeben mag„. Mit einem so diffusen Thema in ein schamanisches Ritual zu gehen ist immer eine spannende Sache. Man kennt zwar den Ausgangspunkt, aber keiner kann sagen, wohin die Reise gehen wird. Dennoch war ich mir von Beginn an sicher, dass es gut werden würde und ich wurde nicht enttäuscht. Der Regen kam passend, als hätte er nur auf seinen Einsatz gewartet. Rundum Ruhe in den Gärten, ich hatte meinen heiligen Raum für mich und konnte mich spontan und frei darin bewegen. Ein paar innere Fragen kamen auf und wurden mit ruhigen Antworten begrüßt. Die Musik kam von meiner Stahltrommel, stille ruhige Klänge, die sich wunderbar mit den Regentropfen verbanden.

Ich will nicht sagen, dass es perfekt war – das ist das falsche Wort. Perfektion ist etwas Kaltes und beinhaltet eine Starre, die für andere Bereiche wichtig ist. Es war vielmehr rundum gut, richtig und nährend und das ist viel besser als Perfektion. Alles, was ich brauchte, war da und ich konnte ganz tief und behütet in die Qualität der Sommersonnenwende eintauchen. Mein Sonnwendfeuer waren ein paar Kerzen. Mein Sprung über das Feuer war ein Tanz im Regen, allein im Garten. Denn auch dafür braucht es Mut. Mein Festmahl im Anschluss waren Kekse und ein Kräutertee, umhüllt vom Duft der verräucherten Sonnwendkräuter, sanft besungen von den Regentropfen. Die Geschenke waren Stille und innerer Friede, genau das, was ich mir unbewusst ersehnt hatte.

Es war einfach und schön und ein Geschenk, dass ich mir selbst bereitet habe. Ein paar Tage später haben wir dann als Gruppe mitsammen gefeiert und auch das war wunderbar, schön und nährend. Doch in einer gänzlich anderen Qualität. Beides gut, jedes anders.

Auch wenn ich grundsätzlich weiß, dass man ein Ritual alleine genauso gut feiern kann, wie zu mehrt, war meine kleine, feine Allein-mit-Mir-Sonnwendfeier eine kraftvolle und intensive Bestätigung, dass man nicht nur alleine feiern kann, sondern es dann und wann auch tun MUSS. Schließlich hat auch mein inneres Team ein Recht darauf gesehen zu werden. Aspekte von mir, die sich vielleicht gerne verstecken, sich bei Treffen mit anderen zurückziehen – in meinem Ritualrahmen durften sie sich zeigen, waren uneingeschränkt willkommen und fanden einen guten Platz, an dem sie wieder gesehen wurden, liebevoll und mit Respekt.

Zeit alleine mit sich zu verbringen kann Angst machen, kann dich schnell in deren dunkle Schwester namens „Einsamkeit“ stürzen. Aber wenn man sich regelmäßig Zeit mit sich alleine schenken kann, ungestört (auch von Handys & Co.), dann kann man seine unvollendeten Gedanken zu Ende denken, einen mentalen Großputz veranstalten oder einfach sich selbst Liebe und Anerkennung schenken … in Form von Zeit für sich selbst.
In Kombination mit einem Jahreskreisfest, kann man sich innig mit der nun aktiven, vorherrschenden Zeitqualität verbinden. Man kann tief hineinspüren, wo man in Resonanz geht, was man ablehnt, wo man Hilfe braucht und wie die aussehen könnte.

Das ist natürlich auch in Gruppenfeiern möglich. Erfordert dann aber eine innere Öffnung, bei der man sich auf eine Art und Weise zeigt, die viel Vertrauen und Verbundenheit mit anderen braucht. Gehe ich zuerst allein mit mir an dieses Thema heran, habe ich eine andere Verbindung dazu und weiß intuitiv, wo ich mehr zeigen kann und wo es noch Schutz braucht, was ich selbst erst noch mit mir klären möchte.

Wenn du dich mit Ritualen und Zeremonien beschäftigst, dann schenke dir von Zeit zu Zeit ein Ritual für dich alleine. Manchmal ergibt es sich von selbst, dann nutze die Chance. Manchmal braucht man es aber auch und dann nimm dir die Zeit dafür. Ich bin mir sicher, dass du sehr wertvolle Erkenntnisse und Geschenke daraus mitnehmen kannst und wer weiß, vielleicht findest du neue, innere Freunde, die in dir darauf warten wahrgenommen und gesehen zu werden.

Feierst du regelmäßig Rituale oder Ceremonies? Allein oder mit anderen?
Wie geht es dir dabei?

Ich freue mich auf deine Ergänzungen und Meinung dazu, einfach in die Kommentare schreiben und schon jetzt vielen Dank für den Austausch!

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