Jahreskreis, Ritual & Brauchtum

Septemberseufzen

Ich bin ein Herbstkind, der Sommer ist so gar nicht meins. Ich ertrage die Hitze nur schwer, mein Kopf setzt das Denken aus, wenn die Temperaturen über die 30 Grad liegen. Früher, als Kind – ja, da waren die Sommer heiss geliebt, in mehrfacher Hinsicht. Da waren Tage mit mehr als 30 Grad im Schatten andererseits selten und die Nächte erfrischend.

Selbst im Herbst des Lebens angekommen, genieße ich diese Jahreszeit und feiere den Septemberbeginn mit einem innigen Seufzer der Freude. Da liegt ein goldenes Versprechen in der Luft, mit sanften, gedeckten Farben auf den Feldern und mir ist als wäre rundm ein zartes, intensives Aufatmen ertönen: Es ist geschafft, endlich darf es Herbst werden.

Heuer will der Sommer nur schwer weichen. Er klammert sich an die Mittagsstunden und bietet Anfang September nochmal alles auf, was er an Kraft zu bieten hat. 36 Grad waren das dieser Tage, rechtzeitig zu Schulbeginn. Erst wenn die Sonne am Verschwinden ist, nimmt die Hitzeanspannung ab und der Herbst breitet sich sachte aus, senkt die Temperatur auf ein erträgliches Maß, bis hin zum angenehmen Schlafklima. Ein sanfter Lufthauch streicht über die glühende Stirn. Die Nächte bringen wieder Erholung und am Morgen ist es nun so erfrischend, dass man sogar daran denken könnte, eine Weste anzuziehen. Nur daran denken, nicht tun! Denn es gilt, dieses leichte Erschaueren zu genießen. Schon eine Stunde nach Sonnenaufgang sehne ich mich danach zurück.

Tag für Tag gräbt der September dem Sommer geduldig das Terrain ab, nimmt sich immer mehr Minuten, unerbittlich, mit liebevoller Strenge. Die Jungfrau-Zeit bringt Ordnung in den Alltag.

Noch ist die Erntearbeit nicht komplett erledigt. Noch kann man Tage im Schwimmbad oder am See verbringen und das Eis im Anschluss spürt sich stimmig an. Aber Morgens und Abends schwingt die goldene Zeit ihr Zepter. Die Vögel sind weniger geworden, die Spinnen und Mäuse suchen einen Weg ins Haus. Wenn man nach der Vehemenz geht, mit der sie das tun, wird der Winter lang und kalt. Vielleicht wissen sie etwas, dass uns unbekannt ist. Vielleicht ist es einfach nur ihr Instinkt. Während ich die einen sanft hinausbitte und die andere vehement am Hereinkommen hindere, bedanke ich mich still bei beiden für die Erinnerung, dass da noch einige Arbeiten in Garten und Haus zu erledigen sind. Denn im September ist Sommerkehraus. Es gilt Ordnung zu schaffen, alles zu erledigen, was im Außen offen ist und getan werden muss. Es gilt Garten und Haus winterfest zu machen und damit auch sich selbst entsprechend ein- und auszurichten.

Für die SchülerInnen beginnt der drohend-verheißungsvolle Ernst des Lebens, was bei den Eltern einerseits Erleichterung auslöst, andererseits eine andere Form von Stress in den Alltag einfügt.

Auch abseits des Schulischen liegt der Lebensernst in der Luft. Das Ende des Jahres schaut um die Ecke und rund um die Tag- und Nachtgleiche wird Erntedank gefeiert. Meist wie bei einer Kirmes, mit Festmesse, Frühschoppen und Hüpfburg. In der Kirche hängt die Erntekrone, als Symbol für die erhaltenen Geschenke der Natur. Ein uraltes Ritual, als Dank für all das, was einem die Natur gegeben hat.

Erntedank feiern bedeutet aber auch, sich mit der Jahres- und Lebensernte auseinanderzusetzen. Egal wie die ausgefallen ist, egal ob üppig oder dürftig: Es ist eine Herausforderung. Denn auch hier schwingt die Endlichkeit mit.

Der September federt die Umstellung von Sommer auf Herbst ab, bietet einen sanften Einstieg an. Doch dafür fordert er im Gegenzug zu Klarheit, Ordnung und Struktur auf.

In der Astrologie ist es diese Zeit der Jungfrau zugeordnet, dem einzigen „weiblichen“ Zeichen im System. Die Jungfrau hat die glühend-träge Löwe-Energie abgelöst, ein krasser Wechsel, bei dem man ins Schleudern geraten kann. Vom lazy Summerlife geht es direkt ins aktive Tun. Da darf man auch mal melancholisch werden.

Andererseits hilft es, wenn man der Melancholie einen letzten Sommerspritzer (oder Hugo oder Aperol oder ein kaltes Holler-Leitung) in die Hand drückt und sie am Sommerstrand sitzen lässt, während man sich von der Jungfrau-Qualität motivieren lässt. Sie ist im Vergleich zum Ernte-Sommer-Löwen ein wenig resch und herb, sorgt aber auch für die jetzt dringend notwendige Erdung. Lässt man sich darauf ein, kommen auch die Klarheit und der Fokus aufs Wesentliche mit an Bord.

Dann sieht man vielleicht, dass in der Hitze des Sommers die Ecken rundum ganz schön zugeramscht und verstaubt sind. Da steht die Energie, beengt und braucht erst mal einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten. Ausmisten täte gut, aber noch fehlt der Antrieb. Hier hilft uns das Räuchern, zum Beispiel mit Galgant und Kalmuswurzel, etwas Beifuss und Weihrauch oder eine Prise (immer nur eine Prise!!!) Kampfer. Das reinigt und bringt Bewegung in die sommertrockenen Staub-Ecken – das ist genau der sanft, herzhafte Tritt in den Allerwertesten, den man braucht, wenn man den chillenden Sommer-Schweinehund ins Ausgedinge schicken will.

Danach fällt auch der physische und mentale Kassasturz um einiges leichter: Ausmisten, loslassen und prüfen, was einen jetzt und in der kommenden Dunkelzeit nährt. Will ich das? Tut es mir gut? Hab ich es die letzten Wochen, im letzten Jahr gebraucht?

Die Erntezeit ist die Zeit der Entscheidungen und gegen ihr Ende hinzu geht es darum zu klären, was bleiben kann und wofür kein Platz (mehr) ist. Was nehm ich mit, was (oder wer?) darf gehen? Alle Ebenen brauchen Klärung: Physisch im direkten Umfeld, mental und auf Beziehungsebene.

Die Jungfrau-Zeit schenkt uns im September einen großen Besen, mit dem wir klar Schiff machen können.

Wer jetzt damit beginnt, hat gute Chancen zu Mabon (Erntedank) einen gut strukturieren und nahrhaft gefüllten Seelen-Speicher für die dunkle Zeit zu haben.

Dann fällt der Erntedank zur Tag- und Nachtgleiche gleich inniger und bewusster aus. Mit der Sicherheit, für die kommende Zeit gut gerüstet zu sein, kann man auch den goldenen September liebevoll los und sich in die Umarmung der nächsten Monate fallen lassen.

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