Mitte März ist es soweit – der Frühling ist spürbar und sichtbar im Werden. Auch wenn hier und da noch Schnee liegt, treiben die Bäume und Sträucher bereits Knospen, und die ersten Frühlingsblüher wie Krokusse, Schneeglöckchen und Haselnuss tauchen die Natur in sanfte Farben. Es liegt ein Kribbeln in der Luft, eine freudige Erwartung: das Leben erwacht.
Heuer erreicht die Sonne am 20. März 2025 um 10:01 Uhr den Punkt, an dem Tag und Nacht gleich lang sind – das Äquinoktium. Mit diesem Moment beginnt offiziell der Frühling, und die helle Jahreshälfte nimmt ihren Platz ein. Dies ist der perfekte Zeitpunkt, um Ostara, das Jahreskreisfest der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche, bewusst zu feiern.
Inhaltsübersicht
Ostara – Das Fest des Neubeginns
Ostara ist eines der vier Sonnenfeste im Jahreskreis. Der Name wird mit der germanischen Frühlingsgöttin Ostara oder der keltischen Eostre in Verbindung gebracht – auch wenn die Brüder Grimm hier möglicherweise dichterische Freiheiten genossen haben, denn über die Wurzeln des Namens kann man streiten. Doch der gemeinsame Wortstamm von Ostara, Ostern und Osten ist nicht zu leugnen. Der Osten steht für den Sonnenaufgang, für den Neubeginn, für das Licht, das nun kraftvoll zurückkehrt. Auch das Element Luft, die frische Morgenbrise und die belebende Energie des frühen Tages spiegeln diese Qualität wider.
Passende Göttinnen für dieses Fest sind Ostara, Eostre, Astarte, Minerva, Athene, Freya – Verkörperungen der jugendlichen, kraftvollen und schöpferischen Frühlingsenergie. Die Erde selbst tritt in dieser Phase als junge, lebendige Mutter auf, bereit, neues Leben hervorzubringen.
Die Energie der Tag-und-Nachtgleiche
Wie auch zur Herbst-Tag-und-Nachtgleiche (Mabon) geht es bei Ostara um Balance – um den Moment der vollkommenen Harmonie zwischen Licht und Dunkel. Doch während Mabon das allmähliche Zurückziehen einleitet, öffnet Ostara die Tür zum Wachsen, zum Aufbruch, zum ersten mutigen Schritt.
Jetzt ist die Zeit für Neubeginn und Bewegung. Alles, was über den Winter an Ideen gereift ist, drängt nach außen. Vielleicht gibt es Träume, die du nun in die Tat umsetzen möchtest? Ein Projekt, das schon lange in deinem Herzen schlummert? Eine Veränderung, die nun ansteht? Ostara schenkt dir den frischen Wind, den du brauchst, um Segel zu setzen.
Doch nicht nur neue Vorhaben profitieren von dieser Energie. Auch bestehende Projekte, Beziehungen oder Unternehmungen erhalten jetzt einen frischen Impuls. Damit das Neue Platz hat, braucht es Raum – und genau deshalb gehört Reinigung und Loslassen ebenso zu diesem Fest. Ein Frühjahrsputz, sowohl äußerlich als auch innerlich, klärt das Feld für das, was wachsen will.
Wie geschrieben geht es nun auch um Balance, um Ausgleich und um Gleichgewicht … was wir oft in einen Topf werfen. Also höchst an der Zeit, hier mal genauer hinzuschauen: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Balance und Gleichgewicht?
Balance & Gleichgewicht – zwei Seiten derselben Fähigkeit
Wir alle kennen das Gefühl, wenn wir auf einem schmalen Pfad gehen oder über einen Baumstamm balancieren. Unser Körper gleicht aus, die Arme gehen zur Seite, das Gewicht verlagert sich – wir balancieren. Balance ist also eine Tätigkeit, etwas, das wir aktiv tun.
Gleichgewicht hingegen ist etwas anderes. Es ist eine Wahrnehmung, die tief in unserem Inneren verankert ist. In unseren Innenohren liegen kleine Sinnesorgane, die messen, wo wir uns im Raum befinden. Sie zeigen uns, ob wir stabil stehen, uns bewegen oder kippen – unser Gleichgewichtssinn ist unser inneres Navigationssystem.
Balance ist das äußere Tun, Gleichgewicht das innere Empfinden. Und doch sind sie untrennbar miteinander verbunden. Wer ein schwaches Gleichgewicht hat, muss ständig ausgleichen – das ist anstrengend, kostet Energie und kann zu innerer Unruhe führen. Wer hingegen ein gutes Gleichgewicht hat, bewegt sich leicht, stabil und kraftvoll durch die Welt.
Auf Englisch wird Gleichgewicht mit Coordination übersetzt, was es vermutlich besser trifft. Balance bleibt hingegen auf deutsch wie englisch gleich.
Der Gleichgewichtssinn – eine evolutionäre Meisterleistung
Wie ist dieses feine System entstanden? Dr. Alexander Kluge beschreibt in seinem Buch “Aus dem Bauhaus der Natur”, dass unser heutiges Innenohr – der Sitz des Gleichgewichtssinns – einst aus dem Unterkiefer einer Wüstenschlange hervorging. Über Jahrmillionen entwickelte es sich weiter und wurde schließlich zu einem entscheidenden Organ der menschlichen Evolution.
Unser Gleichgewichtssinn macht nicht nur den aufrechten Gang möglich – er formt unser gesamtes Wesen. Laut Kluge ist der Mensch nicht nur Homo faber, der schaffende Mensch, sondern auch ein “Homo compensator” – ein Wesen des Gleichgewichts.
Gleichgewicht ist mehr als Stabilität – es ist eine innere Haltung
Gleichgewicht bedeutet nicht nur, dass wir körperlich aufrecht gehen können. Es bedeutet auch, dass wir geistig und seelisch in Balance bleiben. Kluge beschreibt es als das Zusammenspiel zwischen Sachlichkeit und Empathie – zwischen klarem Denken und Mitgefühl.
Wer zu lange nur sachlich und funktional bleibt, spürt irgendwann das Bedürfnis nach Einfühlung. Ein Beispiel: Eine Arbeiterin, die über Stunden repetitive Bewegungen macht, fügt nach einer Weile automatisch eine kleine Zierbewegung hinzu – ein Moment der Selbstregulierung. Der Mensch kann nicht nur ein funktionierendes Rad im Getriebe sein. Er sucht Balance, nicht nur körperlich, sondern auch in seiner Seele.
Gleichgewicht ist also nicht nur ein physisches, sondern ein tief menschliches Prinzip. Es zeigt sich in unserer Bewegung, in unseren Entscheidungen und in unserer Fähigkeit, sowohl Standfestigkeit als auch Anpassung zu leben.
Warum Balance nicht alles ist
Während Balance das ist, was wir tun, ist Gleichgewicht die Grundlage, auf der wir stehen. Wer ständig nur versucht, sein Leben durch äußere Anpassungen zu balancieren, ohne das innere Gleichgewicht zu stärken, erschöpft sich. Doch wer seinen Gleichgewichtssinn trainiert – im Körper wie im Geist – kann sich mit mehr Leichtigkeit bewegen, in der Welt wie im eigenen Leben.
Es geht nicht darum, nie ins Wanken zu geraten. Sondern darum, die innere Kraft zu haben, immer wieder in die eigene Mitte zurückzufinden.
Zurück zur Tag & Nachtgleiche:
Rituale zur Frühlings-Tag & Nachtgleiche
Ostara lädt dich dazu ein, bewusst innezuhalten und mit dem Wandel der Natur zu verbinden. Vielleicht möchtest du den Tag mit einem Morgenspaziergang beginnen, um die ersten Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren? Ein Ritual, das sich anbietet, ist das Fasten – eine Phase des bewussten Verzichts, um Körper und Geist zu klären. Auch ein kleines Feuerritual kann helfen, Altes symbolisch loszulassen und mit neuer Kraft nach vorne zu blicken. Und du kannst physisch beginnen, an deiner Balance zu arbeiten – der Einbeinstand ist ein guter Anfang. Spannend ist hier auch zu erleben, wie sehr es einen innerlich beruhigt (ausgleicht), wenn man stabiler wird im Verlauf des Übens. Am Anfang steht man noch wackelig, hat Angst umzufallen. Aber unser Körper lernt schnell und mit jedem Tag kannst du spüren, wie du sicherer wirst. Auch das ist eine Möglichkeit, sich mit dem Jahreskreis zu verbinden und die Inspirationen für das eigene Wachstum zu nutzen, auf allen Ebenen.
Denn wie jedes Jahreskreisfest ist auch Ostara ein Anker im Strom der Zeit. Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Zyklus sind – und dass es für alles die richtige Zeit gibt. Wer mit dem Wind geht, statt gegen ihn, wird leichter vorankommen.
Also: Wo gut ist deine Balance? Welche Samen möchtest du in die Erde legen? Welche Träume möchten nun wachsen? Die Zeit ist da – lass uns den Frühling willkommen heißen! 🌱✨