Kunterbunt & Anderes

Frauentag-Ambivalenz

Am 8. März ist Frauentag.
Und jedes Jahr frage ich mich, was ich damit soll.

Einerseits stört es mich, das es diesen Tag gibt. Denn solche “Thementage” sind ja primär für Dinge und Wesen gedacht, die vom Aussterben bedroht oder anderweitig gefährdet sind. Diese Memorandien werden ins Leben gerufen, wenn es sich um eine exotische Randgruppe handelt (auf die aufmerksam gemacht werden soll), man an bestimmte Ereignisse erinnern und auf bestimmte Bedürfnisse aufmerksam machen will.

Das passt auf Frauen gar nicht und dann wieder sehr.

  • Frauen sind nicht vom Aussterben bedroht
    … sind aber in manchen Ländern dem Tod ein paar große Schritte näher, als die männlichen Artgenossen.
  • Frauen sind keine exotische Randgruppe
    … außer wenn es sich um Politik, höheres Management, Religionsführung und andere Bereiche handelt, wo viel Macht und Geld im Spiel ist.
  • An Frauen muss man nicht erinnert werden, die Frauen sind da
    … außer wenn es sich um Bereiche (geografisch oder sinnbildlich) handelt, wo man auf sie explizit hinweisen muss, weil sie bewusst tot geschwiegen werden, damit man dort dann nicht vergisst, dass da auch noch “was” anderes war, weil die Totschweiger irgendwie seit ein paar Jahrhunderten vergessen haben, dass sie durch eine Mutter auf die Welt gekommen sind.
  • Frauen haben keinen bestimmten, besonderen Bedürfnisse, zumindest keine anderen, als unsere männlichen Artgenossen
    … außer … äh, als da fallen mir nun ad hoc keine ein, die so “bestimmt”, im Sinne von speziell sind, das sie nicht in die Gruppe der ganz normalen, menschlichen Bedürfnisbesonderheiten fallen. Frauen haben einfach menschliche Bedürfnisse – das ist doch nichts besonderes, oder? Haben die Männer ja auch.
Ich mag den Frauentag nicht.

Aber ich weiß, dass er notwendig ist und darum mag ich ihn noch weniger.

Wir schreiben das Jahr 2016 nach Christus.
Wir halten uns (zumindest hier im westlichen Europa) für zivilisiert, aufgeklärt, demokratisch, gleichberechtigt.
Und sind in vielen, unendlich vielen Dingen noch immer so verzopft und hinterwäldlerisch wie vor 500 Jahren.

Andererseits aber auch viel weiter in vielen Dingen, wenn man “unsere” Situation mit der in anderen, nicht gar so weit entfernten Ländern vergleicht.
Ausserdem muss ja nun alles per Gesetz gegendert werden. Ein Meilenstein in der sprachlichen Evolution!

Ich mag das Gendern nicht.

Aber ich weiß, dass es notwendig ist, weil nur durch diese Sprachtherapie die nach wie vor mindere Präsenz des Weiblichen in der Aufmerksamkeitslandschaft gestärkt werden kann. Und das ein grottenhässlicher Satz wie dieser notwendig ist, um darauf hinzuweisen, macht das Ganze nicht besser.

Ich hasse es, wenn man Weiblichkeit und Frau-Sein auf die Buchstaben *in* reduziert und die Lesbarkeit von guten Texten einem Scharmützel im Geschlechterkampf opfert, um dann großspurig darauf hinweisen zu können, das “ja eh viel getan und erreicht wurde und wird”. Pfffffff …

Ich mag die populistische Frauentagerei in den Medien an diesem Tag nicht, das Großspurige darauf hinweisen, wie aufgeklärt und wie geschlechterausgewogen doch die Zusammensetzung “HIER bei UNS”, in diesem speziellen, regionalen, unternehmerischen, redaktionellen Bereich ist. Echt toll, weil offenbar ein Alleinstellungsmerkmal. Boah, eh, super.

Ich mag keine väterlich-besorgt-stirngerunzelte Politiker*innen mehr über die Situation der Frauen im Land schwadronieren hören … oder lesen müssen. Morgen ist das ganze wieder vorbei, für 364 Tage in der Versenkung verschwunden. Oder sind es heuer 365?
Und pünktlich in einem Jahr hohlt man den Sermon wieder hervor, bügelt in auf und labbert ihn aufgewärmt durch alle Kanäle.

Verdammter, blöder Frauentag.

Danke, dass es dich gibt.

Denn damit wird wenigstens einmal im Jahr an der Oberfläche der Probleme gekratzt. In ein paar Millionen Jahren wird dann auch diese Erzschicht, unter der man sie den Rest der Zeit kehrt, abgearbeitet sein und der Berg an selbst konstruierten Unterschiedlichkeiten ist abgetragen.

Die Frage ist nur, ob die Menschheit dann noch lebt.
Wozu man die Frauen auch irgendwie braucht. Und die Männer.

Denn die Sache mit dem Überleben gelingt nur gemeinsam, im Sinne von “zusammen leben”. Womit die Sache mit der Gleichberechtigung auch schon geklärt ist. Denn zusammen leben bedeutet nichts anderes, als gleichberechtigt im System sein.

Wenn einer den anderen nieder macht, die Zugänge zu was-auch-immer verwehrt (Bildung, Geld, Arbeit, Anerkennung, Alltag, Geld, Gesellschaft …), dann hat der/diejenige damit den Ausstieg aus der Evolution, dem Leben als solches unterschrieben.

Machoismus ist eine zutiefst menschliche Eigenheit und kommt in der Natur nicht vor. Weil die anderen Spezien schon lange vor uns erkannt haben, dass man damit nur dem eigenen Untergang entgegen arbeitet.
Sofern sie diese Probleme überhaupt jemals in unserer, dieser sehr seltsamen menschlichen Form hatten. Ich halte die Bäume, generell alle Pflanzen und Tiere beispielsweise für intelligent genug, in ihrer Entwicklungsgeschichte auf die Unterdrückung der weiblichen Spezies verzichtet zu haben. Weil es einfach vertrottelt ist. Dazu braucht man kein Hochschulstudium, keine Statistiken, keine Feldstudien oder Geschichtsaufarbeitungen. Nicht mal Brennesseln machen das und bei denen gibt es auch Männchen und Weibchen (wer hats gewusst?).

Aber bei unserer Spezies ist da irgendwann irgendwas ganz tragisch schief gegangen. Ein Fehler im System, ein Bug, der hoffentlich nicht erst nach einem Neustart beendet wird.
Nun sind wir seit gefühlt 1000 oder mehr Jahren damit beschäftigt, die Scherben und Löcher dieses Fehlers auszubessern. Seltsamerweise aber entsteht dabei ein Flickwerk, dass wirkt, als würde man etwas ursprünglich sehr schönes, dass durch einen (oder mehrere) Unfälle kaputt gegangen ist, mit groben, kratzigen Patchwork neu gestalten wollen.

Das funktioniert nicht.

Denn es geht nicht darum gesetzlich festzulegen, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sein sollen – Liebe Leut, wappnet euch, ich muss euch was haarsträubendes sagen: Männer und Frauen SIND gleichberechtigt.
Wenn es um Naturgesetze geht. Da haben wir alle die gleiche 100% Chance, dass am Ende des Lebens der Tod auf uns wartet und dazwischen ganz viele spannende, schmerzhafte, schöne, traurige und bunte Herausforderungen.

Alle anderen (gesellschaftlichen) Unterschiede zwischen Weibern und Mandern sind menschgemacht und kein herausragendes Zeichen für eine Spezies, die sich als Krone der Schöpfung bezeichnet. Aber weil wir so sind, wie wir nun mal sind, basteln wir nun ewig dran rum, dass Dinge, die eigentlich klar und natürlich sind, gesetzlich definiert, festgestellt, versichert und ausgeführt werden. Traurig, wenn man Paragraphen braucht, damit man das Leben wieder in seine Urform zu gießen lernt.

Nebenbei wird immer wieder sehr missverständlich darauf herumgeritten, wie wichtig es ist, dass Frauen und Männer absolut gleich sind. Das sind sie nur, wenn es um Rechte und Werte geht. Denn es ist ja exakt dieser gewisse Unterschied, zwischen Weibchen und Männchen, der den Reiz des Daseins und den Fortbestand des Lebens ausmacht. Den wirds auch mit trölfmilliarden neuer Gendergesetze (hoffentlich) noch geben.

Es geht aber leider immer nur darum, dass man die Unterschiede ausmerzt, eine totale Gleichstellung zementiert und dabei übersieht, dass ein Miteinander nur auf diesen Unterschieden aufbauen kann. Und schön sein kann. Weil man sich damit ergänzt und aus zwei halben Dingen, ein rundes Ganzes wird.
Stellt euch das ruhig mal bildlich vor. Dann erscheint es einem als logisch und man muss nicht mehr lange nachdenken, was und wie diese Ergänzung aussehen kann.

Es gibt männliche Wesen und es gibt weibliche Wesen. Und nur zusammen können sie neue Wesen hervorbringen, die für eine Weiterentwicklung sorgen. Die eine kann das gut, der andere jenes und zusammen machen sie es besser. Ohne das da gewertet wird, was der eine und die andere jeweils besser handhaben können.

Wenn aber der eine Teil dieser Partnerschaft dem anderen auf die Schnauze haut und die Kugelherrschaft an sich reißen will, dann wird das nix mit der Weiterentwicklung. Dann steht man in einer Sackgasse.

Wenn die beiden zusammenarbeiten und versuchen die Herausforderungen des Lebens gleichberechtigt zu meistern, indem sie sich gegenseitig unterstützen – jede und jeder so gut er oder sie es eben mit der ihm oder ihr gegeben Kraft und Fähigkeit kann -, dann sind wir endlich wieder da, wo wir schon mal waren. Bevor dieser seltsame, schreckliche, vollkommen anachronistische Fehler im menschlichen Entwicklungssystem passiert ist.

  • Das wird man mit zwei angehängten Buchstaben nicht erreichen.
  • Das wird man mit noch mehr Gesetzen und Gleichstellungskommissionen nicht erreichen.
  • Das wird man auch mit 365 Frauentagen im Jahr nicht schaffen.
  • Das schaffen wir nur, wenn wir alle, ausnahmslos, bei uns selbst anfangen und diese depperten, gesellschaftlichen Geschlechterk(r)ämpfe einstellen, und im anderen zuerst den Mensch sehen. Wurscht ob das ein Weibchen oder ein Männchen ist.

Ich wünsche mir, dass es bald keine Frauentage mehr geben muss.

Weil sich die tragische Basis, auf der er initiiert wurde, aufgelöst hat.
Weil er in dem Sinne nicht mehr notwendig ist.
Weil der dumme, alte Fehler endlich überwunden wurde.
Und bis dahin müssen wir ihn jährlich feiern und ertragen.
Männer und Frauen gemeinsam.

Und währenddessen lachen uns die Brennnesseln und alle anderen aus.

2 Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert