Earth Day: Liebe Mutter Erde …
Am 22. April wird der Tag der Erde, der Earth Day gefeiert. Also von denen, die davon wissen und ihn seit über 50 Jahren feiern. Ob es der Geburtstag unseres schönen Planeten ist, wage ich zu bezweifeln. Aber Mutter Erde wird die Glückwünsche trotzdem annehmen, denke ich. Mütter tun das ;-)
Andererseits geht es am Tag der Erde nicht darum die Erde zu feiern. Er soll vielmehr …
„… die Wertschätzung für die natürliche Umwelt stärken, aber auch dazu anregen, das Konsumverhalten zu überdenken.“
Wikipedia Artikel, Tag der Erde
Ich würde gerne ein tolles Fest für Mutter Erde machen. Aber wir haben Corona, Lockdown und wer weiß, ob sie das mögen würde. Denn solche Feste sind intensiv, oft laut, es werden Ressourcen verbraucht, die an anderer Stelle und unverbraucht besseren Nutzen brächten. Und zudem wäre es den anderen Kindern, unseren Erdgeschwistern, gegenüber nicht fair, wenn nur die Menschenkinder zur Feier geladen sind. Denn Mutter Erde hat viele Kinder, von uns auch Tiere und Pflanzen genannt.
Abgesehen davon bin ich seit Tagen müde und erschöpft. Keine Ahnung warum, aber vermutlich braucht es dafür momentan keinen bestimmten Grund bzw. gibt es unfassbar viele. Das erspart mir eine Entscheidung und ich kann ohne Grübeln einfach müde sein.
Ich drehe in der Früh gerne eine Runde durch den Garten, heute bei Sonnenschein, was nett ist. Aber Regen wäre mir lieber, es ist nach wie vor viel zu trocken. Am Rückweg stolpere ich beim Haselstrauch und aufblickend sehe ich ein dickes, fettes Amselnest mit Amselmutter im Strauch. Die Müdigkeit, die Regensorge und alles weitere sind vergessen: OMG!!! Ein Nest, „wir“ bekommen Amselnachwuchs!
Ich muss mich sehr, sehr beherrschen, der Mutter nicht enthusiastisch zu gratulieren. Sie schaut mich so schon vorwurfsvoll und skeptisch an. Ich grinse wie Honigkuchenpferd und flüstert nur: „Herzlichen Glückwunsch!!!“, bevor ich mich leise davon schleiche.
Als ich das Haus betrete läuft Ed Sheerans „Afterglow“ im Radio. Muss man nicht mögen, aber ich mag es es gerade und der Text, hm, mit ein paar kleinen Änderungen ist es ein wunderschönes Liebeslied für Mutter Erde.
Aber es bietet auch viel Inspiration für einen Liebesbrief an sie:
Stop the clocks, it’s amazing
Den Moment anhalten, um die Schönheit länger genießen zu können – ja, das wärs. Aber wird Schönheit nicht gerade auch wegen der Vergänglichkeit der Zeit zu etwas Besonderem?
Liebe Mutter Erde,
das ist ein Punkt, der auf DICH nicht zutrifft. Deine unfassbar vielfältige Schönheit hat sich im Laufe der Milliarden Jahre gewandelt, ist dennoch nie vergangen und diesen Moment anhalten zu wollen bedeutet, der zukünftigen Schönheit Raum wegzunehmen. Bitte bleib weiter so prachtvoll, wunderbar, wandelbar und zauberhaft!
You should see the way the light dances off your head
Das Licht der Frühlingssonne am Morgen, das Licht des Sommers zur Mittagszeit, das Licht der Herbstsonne am Abend und das zarte Licht des Winters tagsüber – jeder Lichtschein ist schön und birgt einen Zauber, der durch die Nacht, die Wolken, das Fehlen von Licht in den Zeiten, wo Licht zu fehlen hat, nur noch verstärkt wird. Auch Licht erhält seine Kostbarkeit durch die Begrenzung, in diesem Fall ist es der Schatten.
Liebe Mutter Erde,
Danke für diese wohltuende, spannende Polarität, die uns so viel lehrt, von der wir so viel lernen könnten, wenn wir uns nicht immer nur dem Offensichtlichen zuwenden würden und lernen würden, dem Schatten eine Chance zu geben, um ihn zu verstehen, damit wir die Kraft des Lichts besser wertschätzen können.
Nichts davon ist gut oder böse, beides hat seine Berechtigung und ich würde nicht leben wollen in einer Welt, die nur aus Licht besteht oder dauerhaft finster ist. Du tanzt durch den Schatten und durch das Licht, drehst dich seit ewig von einer Seite zur anderen und wirst dich noch lange drehen, wenn der Staub unserer Asche bereits vergangen ist.
A million colors of hazel, golden and red
Der Frühling weckt auch die Farben auf, nicht nur die Vögel. Alles wird bunt, auch wenn das Grün dominiert und speziell abseits der Gärten viel mehr bunt nötig wäre, um die Buntheit der Zukunft weiter garantieren zu können. Wir lieben Farben, aber aus den Feldern haben wir sie verbannt und nennen es Unkraut, wenn es da blüht, wo wir etwas anderes gepflanzt haben.
Liebe Mutter Erde,
ich kenne viele Farbkarten und Muster, aber dein Repertoire übertrifft sie alle, stellt alles in den Schatten, was ich auf grafischer Seite gelernt habe. Du mischt hemmungslos und immer wieder neu. Selbst der monochrome Winter ist nie zur Gänze grau, selbst im Nebel sind zarte Farben zu finden und auch in der Finsternis der Nacht spürt man die bunten Unterschiede im Schwarz.
Und wenn dann der Herbst ins Land zieht und uns die Buntheit des Laubs zeigt, dass sich vor seinem Ende in seiner ureigensten Pracht darstellt, überflutet uns ein weiterer, überwältigender Farbrausch, der uns immer wieder aufs Neue staunen lässt. Wenn wir uns denn die Zeit für das Bestaunen dieser „Kindersachen“ nehmen würden.
Bitte bunte weiter, auch wenn nicht alle diese Pracht sehen können, wollen oder wahrnehmen.
Saturday morning is fading
The sun’s reflected by the coffee in your hand
My eyes are caught in your gaze all over again
Egal wie oft ich in die Natur schaue, auch wenn es immer wieder der gleiche Blickwinkel, das gleiche Fenster, der gleiche Standpunkt ist: es ist immer anders, immer neu, immer besonders.
Liebe Mutter Erde,
ein Kreis hat 360° und wenn man alles sehen will, muss man einmal im Kreis gehen, den Blick von allen Seiten auf etwas richten, um überhaupt damit beginnen zu können, das Gesehene annähernd verstehen zu wollen.
Du bist fast kreisförmig, ein runde Kugel, geformt durch das Universum und die Zeit. Doch selbst wenn man 360 Millionen mal im Kreis um dich fliegen würden, gäbe es immer wieder neue Seiten an dir zu entdecken. Du veränderst dich stetig, die längste Zeit deines Seins im eigenen Rhythmus. Seit ein paar tausend Jahren nach unserem Takt und diese Musik hat dir nicht gut getan. Wir sind die Erdenkinder, die die Hand beißen, die sie nährt, die den Ast absägen, auf dem sie sitzen und die lieber lange über „Wirtschaft“ und damit verbundenem „Wachstum“ meckern, wenn schon längst klar ist, dass diese beiden Punkte in ein paar Jahren kein Brot für uns mehr auf den Tisch bringen werden, weil der Boden das Korn nicht mehr wachsen lassen kann.
Bitte gib uns nicht auf! Nimm uns an der Hand und lehre uns neu zu tanzen, in deinem Rhythmus.
We were love drunk, waiting on a miracle
Trying to find ourselves in the winter snow
So alone in love like the world had disappeared
Liebe und Krieg, eine ewige Konstante im Menschengeschehen. Wie kam es, dass wir uns in so vielen Sichtweisen verloren haben? Uns um Worte streiten, während der Sinn des Daseins sich verabschiedet hat? Den Blick auf unsere gemeinsame Herkunft, unser ewiges Verbundsein und die Symbiose mit dem Leben auf dieser Welt verloren haben? Und ihn stattdessen starr auf Dogmen und erhobene Zeigefinger richten.
Liebe Mutter Erde,
Wir wissen es nicht besser, wissen dich nicht zu schätzen, deine Geschenke und das Leben, dass du uns gegeben hast. Vielleicht wussten wir es einmal, vor tausenden von Jahren. Wir haben es verloren und wissen nicht mal mehr, dass da was war, weil wir auch die Intuition vergessen haben.
In unserer Ignoranz fallen wir übereinander her, massakrieren Leben in jeder Form und rechtfertigen es mit abgedroschenen Phrasen. Sind wir in der Trotzphase oder schon im Teenager-Rage-Modus? Und werden wir das Erwachsenwerden unserer Spezies überhaupt noch erleben?
Ich weiß es nicht und werde es vermutlich auch nicht mehr erfahren. Aber du wirst es wissen, denn du wirst uns um viele Ewigkeiten überleben. Selbst wenn wir uns selbst vernichten und die, die mit uns auf dir leben, wirst du dich davon erholen und neues Leben kreieren.
Unbeirrbar und lebendig.
Wir haben dich nicht verdient, dennoch liebst du uns, wie du alles auf dir liebst.
Oh, I won’t be silent and I won’t let go
I will hold on tighter ’til the afterglow
And we’ll burn so bright ’til the darkness softly clears
Es braucht viel mehr Stimmen, die hier mitsingen. Viel mehr Stimmen, die sich wehren, die Partei für Mutter Erde ergreifen. Viel mehr Stimmen, die sich besinnen, still werden und nachdenken, um endlich anfangen zu lernen, wofür es sich lohnt, die Stimme zu erheben.
Liebe Mutter Erde,
dein Lied ist mehr als die Stille, mehr als das Rauschen des Meeres und der Wälder, mehr als das Singen der Vögel und Wale und aller Tiere und Pflanzen. Deine Stimme ist so laut und ewig, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen. Erst wenn sie verklingt werden unsere Ohren kollabieren, weil das Essentiellste fehlt und eine unfassbare Lautlosigkeit jedes Geräusch abwürgt.
Bis dahin müssen viele, noch viel, viel mehr, die Stimme für dich erheben, dein Wort sprechen, dein Lied mit dir singen, deinem Text lauschen und deine Weisheit wirken lassen und danach handeln.
Oh, I will hold on to the afterglow
Oh, I will hold on to the afterglow
Dem Echo lauschen, dem Abendrot nachblicken, die Nacht schwinden spüren, nicht aufhören das Wunder zu sehen. Jeden Tag, jede Nacht, bis zur Erschöpfung und dann einschlafen im Wissen, dass neue Wunder nicht nur möglich, sondern sicher sind.
Liebe Mutter Erde,
du bist ein Traum, der wahr geworden ist. Aber weil Träume etwas sind, was für uns Menschen eine Utopie darstellt, haben wir den Schritt noch nicht geschafft, um dich als lebendigen Traum, der wahr geworden ist, zu erkennen. Vielleicht braucht es einen Kuss, um uns aufzuwecken und daran zu erinnern, dass Träume auch im wachen Zustand zu finden sind, nicht nur im 1000jährigen Dornrösschenschlaf?
The weather outside’s changing
The leaves are buried under six inches of white
The radio is playing „Iron & Wine“
Die einzige Konstante im Leben ist der Wandel, hat ein weiser Mensch mal gesagt und es stimmt: Alles verändert sich permanent. Das Gute, das Schlechte und auch wenn man sagt, dass man immer wieder den gleichen Fehler macht, ist es dennoch immer wieder ein neuer, anderer.
Liebe Mutter Erde,
Dein ewiger Wandel, deine ewige Erneuerung, dein ewiges Wachsen, das alles, was auf dir lebt, in Form von Evolution als Naturgesetz ins Dasein mitbekommen hat, ist der Halt, den du uns gibst. Es kann unsere Chance sein, wenn wir wissen, wie wir uns zu wandeln haben, damit wir mit dir Schritt halten. Oder es wird unser Fluch, wenn wir uns erhaben glauben, über das älteste und unbezwingbarste Naturgesetz.
Du lässt uns jeden Freiraum, übst dich in Toleranz, lässt dich auf keine fruchtlosen Diskussionen ein und gibts uns nicht mal Hausarrest, wenn wir uns besonders dämlich gebärden. Vielleicht solltest du deine Erziehungsmethoden doch noch mal überprüfen. Ich habe so das Gefühl, dass wir nicht wirklich lernfähig sind.
This is a new dimension
This is a level where we’re losing track of time
I’m holding nothing against it, except you and I
Mag sein, dass wir schon am Weg ins Neue sind, dass es sich schon entschieden hat, ein neues Erdzeitalter am Horizont auftaucht und das Anthropozän, das Zeitalter der Menschen, ablöst.
Liebe Mutter Erde,
wenn das so ist, dann gib mir die Kraft, mich in das Vertrauen zu dir fallen zu lassen. Ich will den Mut haben, mich nicht dagegen zu wehren, mich demütig deiner Weisheit anzuvertrauen. Keine Ahnung, ob es mich das Leben kosten wird oder in ein neues Sein führt. Was zwei unterschiedliche Dinge, aber auch das Gleiche sein kann.
Gib mir viel Mut, damit ich ihn mit anderen teilen kann, um nicht alleine dorthin zu gehen, wo du uns mit offenen Armen erwartest, um uns an der Hand zu nehmen und auf den Weg zu bringen, der für dich und uns der Beste ist.
We were love drunk, waiting on a miracle
Trying to find ourselves in the winter snow
So alone in love like the world had disappeared
„Wir waren trunken vor Liebe, haben auf ein Wunder gewartet,
Versucht uns im Winterschnee zu finden,
So allein und verliebt, dass die Welt verschwunden ist ..“
Liebe Mutter Erde,
das klingt nach einer heftigen Liebesbeziehung, aber ich fürchte, es war nur das egoistische Verliebtsein in eine Reflexion unseres Selbst. Wir waren verschossen in die Idee, uns dich untertan zu machen und haben es „Liebe“ genannt. Und in dem Zug haben wir uns gleich alles untertan gemacht, was auf dir lebt und ist. Im Namen der Liebe, der Zivilisation und der Religion. Und im nächsten Schritt „untertanten“ wir die Schwestern und Brüder, die sich diesem Wahnsinn widersetzten, sich nicht in das untertänige Glaubensbild einfügen lassen wollten oder gar anderer Meinung waren.
Alles im Namen der Liebe und einer Göttlichkeit, die angeblich über deine Hoheit triumphiert.
Ich glaube, wir haben keine Ahnung von Liebe, denn diese Version davon lässt im wahrsten Sinn des Wortes die Welt verschwinden.
Oh, I won’t be silent and I won’t let go
I will hold on tighter ’til the afterglow
And we’ll burn so bright ’til the darkness softly clears
Liebe Mutter Erde,
viele Worte, viele Gedanken, viele Idee und das Gefühl, dass alle Worte der Welt, in allen Sprachen nicht ausreichen um dir zu sagen, wie besonders und einzigartig du bist.
Dabei reicht ein Atemzug, bewusst getan. Er wird zum Gebet, dass dir flüstert, dass da eine, einer an dich denkt, dich spürt, dich liebt und sich bemüht, deiner Liebe gerecht zu werden.
Danke für die Luft, die du mir gibst, damit ich dein Gebet atmen kann.
Danke für die Wärme, die du mir gibst, damit ich in mir ein Licht habe um mich im Außen zu wärmen, den Weg zu finden und gegen die zunehmende Kälte gewappnet bin.
Danke für deine Tränen, dein Blut, unser Wasser, dass du uns gibst und ohne dem wir nicht existieren würden, nicht leben könnten.
Danke für die Erde, die uns ernährt, für den Boden, der du bist, der das Wurzeln möglich macht und mir den Halt gibt, der immer da ist, auch wenn glaube, dass ich den Boden unter den Füßen verloren habe.
Das geht ja gar nicht, denn du bist immer da und wirst mich noch lange tragen, wenn ich schon nicht mehr gehen kann.
Danke, dass es DICH gibt und du uns trotz allem trägst.
Oh, I will hold on to the afterglow
Oh, I will hold on to the afterglow …