Sei bedankt für das, was war.
Sei gesegnet für das, was kommt.
Am Ende des Jahres ist es Zeit, innezuhalten. Zurückzuschauen. Und dem, was war, ein ehrliches Danke zu geben.
Auch – und vielleicht gerade dann –, wenn es schwer war. Wenn Erfahrungen schmerzten, überforderten oder noch nachwirken.
Heilung beginnt nicht mit dem Wegwischen von Schmerz, sondern mit dem Hinsehen. Erst wenn etwas gesehen und benannt wird, kann es sich lösen. Das tut manchmal weh. Mitunter sogar sehr.
Heilung ist kein schnelles Versprechen und kein Wundermittel. Sie ist ein Weg. Und dieser Weg darf Zeit brauchen.
Wir wünschen uns oft, dass seelische Wunden so funktionieren wie ein Medikament: einnehmen, kurz warten – und weg ist das Aua.
Das wäre schön.
Aber so ist es nicht.
Darum: Schau hin. Sieh, was war. Und würdige es.
Ich wünsche dir, dass es viele Dinge gibt, für die dir das Danken leichtfällt. Und für all das andere möge Kraft da sein, die dich begleitet, wenn du es verabschiedest.
Denn ja – du darfst am Ende des Jahres zurücklassen, was dich nicht mehr trägt.
(Kleiner Hinweis am Rand: Das darfst du übrigens auch mitten im Jahr. Immer wieder.)
Wir haben uns daran gewöhnt, den 31. Dezember als harte Grenze zu sehen: Mit dem letzten Glockenschlag endet alles Alte, und ein glänzend neues Jahr beginnt – unbelastet, frisch, frei von den letzten 365 Tagen.
Das ist ein schöner Gedanke. Und ein schöner Brauch.
Ich möchte dir nur helfen, dass sich dieses Gefühl von Neubeginn nicht schon Mitte Jänner in Luft auflöst, wenn der Alltag wieder anklopft.
Darum: Mach deine Kehraus.
Hol den Ramsch aus den Ecken – innerlich wie äußerlich. Du kannst das rein gedanklich tun. Bewährt hat sich aber, zumindest einen Teil davon sichtbar zu machen: aufgeschrieben, gemalt, festgehalten.
Vielleicht auf Zettel, die du vor Neujahr verbrennst, vergräbst oder der Natur überlässt. Vielleicht still für dich, vielleicht mit Kerze, Räucherwerk oder einem kleinen Ritual.
Du bestimmst den Rahmen. Der Aufwand ist nebensächlich.
Wichtig ist nur eines: Ehrlichkeit.
Was ist dir heuer passiert?
Was war gut?
Was war schwer?
Was war nährend – und was schlicht schmerzhaft?
Inhaltsübersicht
Ideen für deinen Jahresrückblick
Das Jahr auf Linie bringen
Nimm einen großen Bogen Papier. Zieh eine Linie über die gesamte Breite und teile sie in zwölf Abschnitte – für die Monate.
Schreib zu jedem Monat, was geschehen ist. Vielleicht das Schöne oberhalb der Linie, das Schwierige darunter.
Das ist dein Kompost.
Denn das, was gestern schwer war, nährt oft das, was morgen wachsen darf.
Als Gedächtnisstütze können dir dein Kalender, ein Tagebuch, Fotos am Handy oder auch Chatverläufe helfen. Geh durch deine Räume: Was ist neu dazugekommen? Was ist gegangen? Was hat sich verändert?
Trag alles ein, was dir einfällt. Du wirst staunen, wie viel passiert ist – Alltägliches, Schönes, Herausforderndes.
Geh Monat für Monat vor. Gerne über mehrere Tage. Es muss nicht alles auf einmal „erledigt“ werden. Es ist ja auch nicht auf einmal passiert.
Am Ende liegt dein Jahr vor dir. Mit all seinen Höhen und Tiefen.
Du kannst es schmücken, ergänzen, aufhängen oder einfach so lassen, wie es ist.
Wenn du magst, bewahr es auf – als Erinnerung, als Würdigung, vielleicht als Teil einer wachsenden Lebensbiografie.
Oder du übergibst es dem Fluss des Lebens: achtsam verbrannt, zerrissen oder auf andere Weise verabschiedet.
Fünf Fragen für deinen Rückblick – und eine zarte Ausrichtung nach vorne
Eine andere Möglichkeit ist Journaling. Diese Fragen laden dich ein, dein Jahr emotional zu erfassen und dich behutsam auf das Neue auszurichten:
- Was habe ich geschafft oder überstanden, ohne darüber zu sprechen?
Auch ungesehene Stärke zählt. - Wann habe ich mich in diesem Jahr am authentischsten gefühlt?
Nicht am glücklichsten – sondern am wahrhaftigsten. - Was will ich nicht länger mittragen ins neue Jahr?
Glaubenssätze, Erwartungen, alte Versionen meiner selbst. - Welche Lebensumstände unterstützen den Weg, den ich nun gehen will?
Zeit, Rhythmus, Umgebung, Energie. - Wenn ich mich 2026 nicht um meine Lebenserhaltung kümmern müsste – was würde ich tun?
Heb dir deine Antworten auf. Sie sind ein leises Commitment – und wirken oft weiter, als man denkt.
Weitere Impulse und Vorlagen findest du hier:
https://kultkraftplatz.com/das-alte-er-innern-das-neue-einladen/
Ein liebevoller Hinweis zum Schluss
Die Rauhnächte – und ihre modernen Schwestern, die Sperrnächte – sind in den letzten Jahren zu einem beinahe überwältigenden Angebot geworden.
Aus einer Zeit des Rückzugs und der Ruhe ist oft eine To-do-Liste entstanden.
Bitte lass dich davon nicht stressen.
Du verpasst nichts.
Das Beste, was du in den Rauhnächten tun kannst, ist manchmal: nichts.
Still werden. Dasein. Das Dunkle würdigen – draußen wie in dir.
Du hast ein weiteres Jahr gelebt. Mit allem, was dazugehörte.
Du hast es so gut gemacht, wie es dir möglich war. Und das reicht.
Mach dir einen Tee. Iss einen Keks. Oder zwei.
Die Wilde Jagd und Frau Holle erinnerten früher genau daran: Diese Tage gehören der Ruhe.
Alles andere ist optional. Schön – wenn es dich nährt. Überflüssig – wenn es dich stresst.
Bedanke dich für das, was war.
Und segne das, was kommen mag.
P.S. zu den Sperrnächten
Sie sind keine alte Tradition, sondern eine moderne Interpretation einer Zeit, in der man früher organisatorisch das Jahr abschloss – regional sehr unterschiedlich. Die Idee ist schön.
Wenn sie dir leichtfällt: wunderbar.
Wenn nicht: Du versäumst nichts.
Manchmal ist Nicht-Mitmachen die eigentliche Form von Achtsamkeit.



