Buchtipp: Vom Mythos des Normalen

Gabor Maté über Gesundheit, Gesellschaft und das, was uns wirklich prägt

Was bedeutet es, gesund zu sein – körperlich, seelisch, gesellschaftlich? Und wer entscheidet eigentlich, was „normal“ ist? In seinem Buch „Vom Mythos des Normalen“ stellt Gabor Maté genau diese Fragen – und zeigt auf, wie eng unser Befinden mit unseren Lebensbedingungen, unserer Geschichte und unserem sozialen Umfeld verwoben ist. Ein unbequemes, aber tief menschliches Buch, das aufrüttelt – und langfristig etwas verändern kann.

Persönlich gelesen: Warum mich dieses Buch nicht mehr loslässt

Ich habe selten ein Buch gelesen, das mich so berührt hat. Nicht, weil es laut oder dramatisch wäre – sondern weil es leise, aber unnachgiebig an die Schichten geht, die wir oft überdecken. Es hat Erinnerungen angestoßen, Fragen aufgeworfen, und ja: auch Schmerz ausgelöst. Aber genau darin liegt seine Kraft. Wer bereit ist, sich selbst ehrlich zu begegnen, findet hier keine schnellen Lösungen, sondern echte, tiefgreifende Perspektiven – besonders im Umgang mit Krankheit, Stress und inneren Mustern.

Worum geht es?

Gabor Maté beleuchtet in diesem Buch die tiefe Verbindung zwischen Krankheit, Trauma, Stress und der Gesellschaft, in der wir leben. Er zeigt auf, wie viele Erkrankungen – von Autoimmunerkrankungen über Burnout bis zu Depression – mit langanhaltenden seelischen Verletzungen verbunden sind. Oft geht es um Kindheitstraumata, unerkannte Stressmuster oder emotionale Anpassung an ein „normales“ Umfeld, das alles andere als gesund ist.

Er beschreib eindringlicht, wie sich Traumata, auch wenn sie früh und scheinbar „unspektakulär“ erlebt wurden, in unserem Nervensystem festsetzen – und welche Auswirkungen das langfristig auf unsere Gesundheit haben kann. Maté spricht dabei nicht nur über Einzelpersonen, sondern stellt auch gesellschaftliche Zusammenhänge her: Ein System, das Leistung über Verbindung stellt, fördert keine gesunden Menschen.

Auch die Rolle unseres Medizinsystems wird beleuchtet: ein System, das Symptome behandelt, aber oft das Umfeld, die Geschichten und Emotionen des Menschen dahinter nicht sieht. Und er ruft dazu auf, wieder ganzheitlicher zu denken – ohne dabei in Esoterik oder Schwarz-Weiß-Denken abzudriften.

Dabei bleibt er wissenschaftlich fundiert – aber nie kalt. Matés Sprache ist klar, sein Blick auf den Menschen zutiefst mitfühlend. Und genau das macht dieses Buch so wertvoll.

Ein paar Worte zum Autor

Gabor Maté, geboren 1944 in Ungarn und aufgewachsen in Kanada, arbeitete viele Jahre als Hausarzt und in der Palliativmedizin, später mit Menschen mit schweren Suchterkrankungen. Sein Fachgebiet: die Zusammenhänge zwischen emotionalem Stress und körperlicher Gesundheit. Maté ist international bekannt für seine klaren, ehrlichen und zutiefst menschlichen Analysen – und für seinen Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Seine besondere Stärke liegt darin, medizinisches Wissen mit psychologischem Feingefühl und gesellschaftlichem Weitblick zu verbinden.

Neben „Vom Mythos des Normalen“ sind vor allem folgende Werke von ihm empfehlenswert:

  • „Wenn der Körper nein sagt“ – über die körperlichen Folgen von unterdrückten Emotionen
  • „In the Realm of Hungry Ghosts“ – ein einfühlsames Buch über Sucht und innere Leere
  • „Hold on to Your Kids“ – über die Bedeutung von Bindung für gesunde Entwicklung

Drei verschiedene Blickwinkel – ein gemeinsamer Gewinn

🌀 Für alle, die mit feinen Wahrnehmungen arbeiten:
Wenn du dich mit dem Einfluss von Orten, Strahlungen oder energetischen Phänomenen beschäftigst, wird dir Matés systemischer Blick auf Krankheit und Stress neue Zusammenhänge eröffnen. Gerade für analytisch denkende Menschen, die Ursachen klar benennen wollen, liefert dieses Buch eine tiefere Ebene – wissenschaftlich untermauert, aber nicht abgehoben.

🌿 Für alle, die sich nach innerem Wachstum sehnen:
Wenn du auf der Suche nach persönlicher Entwicklung bist und dich für achtsames Leben, Authentizität und Selbstverantwortung interessierst, wird dieses Buch ein Schlüssel sein. Es bietet keine spirituellen Konzepte – aber eine Tiefe, die spirituell berühren kann. Nicht, weil es davon spricht, sondern weil es dich spüren lässt, was wirklich wesentlich ist.

📚 Für alle, die neues Wissen lieben und es in die Welt tragen möchten:
Wenn du in einem medizinischen, pädagogischen oder therapeutischen Beruf arbeitest – oder dich einfach gerne mit fundierten Inhalten weiterbildest –, findest du hier einen reich gefüllten Werkzeugkoffer. Maté verknüpft Forschung, Erfahrung und gesellschaftliche Analyse zu einem umfassenden Bild. Und auch wenn das Lesen herausfordernd sein kann: Die Erkenntnisse bleiben.

Ein Buch, das wirkt – leise, aber nachhaltig

„Vom Mythos des Normalen“ ist kein leichtes Buch. Aber es ist eines, das bleibt. Es stellt Fragen, die wir uns selten stellen – und gibt keine einfachen Antworten. Stattdessen öffnet es einen Raum für ehrliche Auseinandersetzung. Mit uns selbst. Mit unserem Umfeld. Und mit der Frage, wie ein Leben aussehen kann, das nicht nur funktioniert – sondern sich wirklich stimmig anfühlt.

Vom Mythos des Normalen
Von Dr. Gabor Maté
mit Daniel Matá

Originaltitel
The Myth of Normal. Trauma, Illness & Healing in a Toxic Culture

Kösel-Verlag
ISBN 978-3-466-34798-8

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