Hornissenalarm? Hornissen willkommen!
Panischer Hilferuf aus einem der Zimmer im Dachgeschoß: „Hilfe – bei mir ist eine Hornisse!“ Nach kurzem Erstschreck wird – wie auch bei den Spinnen, die sich in unser Haus verirren – eine Rettungsaktion durchgeführt. Nicht für den Zweibeiner, sondern für den geflügelten Krieger, der sich indoor verirrt hat.
Mit einem großen Glas und einem Blatt Papier gehts auf die Jagd und im Hinterkopf rotieren die Gedanken: „Schon gefährlich … so groß, was wenn mich die nun sticht? Ist sicher urgiftig und sehr agressiv! Müssen das Nest suchen und …“
Und was? Die logische Fortsetzung wäre: Vernichten. Als Schutz für Haus und Belegschaft. … nur: muss das auch sein? Der geflügelte Irrläufer und ein zweiter, der sich gleichfalls noch im Raum findet, werden erstmal in die Nacht entlassen. Im Wegfliegen ruf ich ihm (oder ist es eine „ihr“?) noch nach, sie/er möge unser Haus meiden und draußen bleiben, sonst könnt der nächste Besuch letal enden.
In den nächsten Tagen machen wir uns auf die Suche nach dem Nest, da mittlerweile noch ein paar der großen Brummer aufgetaucht sind. Eine noch im Haus, die anderen immer wieder im Vorbeifliegen im Garten. … stehts auf Distanz, aber der Alarm im Hinterkopf, die unbewusste Angst, ist angesprungen.
Fündig werden wir beim Garagendach – und was nun? Der „normale“ Weg wäre, die Feuerwehr zwecks „Entsorgung“ zu rufen. Aber aus irgendeinem Grund ist das sowohl meinem Mann als auch mir zuwider und wir verschieben es von einem Tag auf den anderen. Die Jugendzimmer werden insektensicher gemacht (Fliegengitter) und neuerliche Hausbesuche bleiben aus. Dafür taucht im Garten, im Vorbeiflug immer wieder eine auf … sicher nicht immer die gleiche …
Weil das so aber nun auch nicht weitergehen kann – schließlich mag ich weder meine Familie noch mich oder allfällige Besucher, Nachbarn durch unsere geflügelten Untermieter gefährden – machen wir uns auf die Recherche und siehe da: wir dürfen uns glücklich schätzen, dass ein Hornissenstaat bei uns eingezogen ist!
Die großen Tierchen sorgen nämlich dafür, dass Wespen und andere weniger geliebte Insekten deutlich reduziert werden. Sie ernähren sich selbst zwar gern von Nektar, Obst und Pflanzensäften – aber niemals von unserem Tisch. Was ich schon mal sehr sympathisch finden, denn ungebetene Tischgäste sind bei mir nur sehr minder willkommen. Rückblickend fällt mir nun auch auf, dass wir bei der Nahrungsaufnahme im Garten heuer so gut wie nie von (angriffslustigen) Wespen belästigt wurden. Auch Gelsen gibts dieses Jahr kaum – trotz der Nähe zum nachbarlichen Gartenteich.
Hornissen ernähren ihre Nachkommen mit „Frischfleisch“ in Form von lebend erbeuteten Insekten und deren Larven. Dabei bevorzugen sie große, wehrhafte Insekten und sind somit wichtig für das natürliche Gleichgewicht in der Natur. Sie sind nur in der Nähe ihres Nestes für uns Menschen gefährlich, wenn sie sich angegriffen fühlen. Ansonsten meiden sie die Nähe zu uns … Ausnahmen, die sich auf der Suche nach leicht erreichbaren Futter ins Haus verirren können ausgenommen. Zwar fallen auch Schmetterlinge, Biene und Hummeln in ihr Beutschema, aber das würde ich als „natürlichen“ Überlebenskampf definieren. Im Endeffekt dienen auch die Hornissen anderen Tieren (Vögeln) als Futter und erfüllen so ihr Dasein im Kreislauf des Lebens.
Ihren schlechten Ruf verdanken sie unbestimmten und überlieferten Ängsten – sie sind aber, was ihr Gift betrifft, nicht „gefährlicher“ als Wespen und Bienen (der Wirkstoff ähnelt sich, also eine potentielle Gefahr für AllergikerInnen). Aber von ihrem Jagdtrieb her wesentlich weniger bis kaum so aggressiv wie Wespen (die natürlich auch wichtige Aufgaben erfüllen, aber eben leider ein bisschen aufdringlicher als Hornissen sind).
Die unbewusst aufgeschobene Entscheidung, was mit dem Hornissennest zu geschehen hat, ist nun zu Gunsten der riesigen Hautflügler ausgefallen: sie dürfen bleiben. Vor allem (zur Beruhigung der weniger toleranten Mitbewohner und -menschen), weil sich das Nest mit Beginn der kalten Jahreszeit natürlich auflösen wird. Die alten Hornissen und ihre Königin sterben. Die jungen, weiblichen Hornissen überwintern und gründen im Frühjahr einen neuen, eigenen Staat. Und das in der Regel nicht am alten Standort. Womit sich das Angstproblem erledigt – das Nest zu belassen ist die beste Möglichkeit dafür zu sorgen, dass sich der nächstjährige Hornissenstaat woanders ansiedelt. … auch schade irgendwie, nach all dem, was ich nun über sie weiß.
Interessant ist auch, dass die Hornisse zu den gefährdeten Insektenarten zählt und auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten stehen – was großteils an ihrem schlechten und mehr als unverdienten Ruf liegt.
In Deutschland sind sie durch die Bundesartenschutzverordnung bereits auf Grund ihrer Nützlichkeit geschützt, in Öberösterreich steht sie unter Naturschutz (wie es in den anderen Bundesländern aussieht weiß ich leider nicht, aber vermutlich ähnlich) und darf [… nicht ohne besonderen Grund beunruhigt, verfolgt oder vernichtet werden … Weiters ist das Entfernen, Beschädigen oder Zerstören der Brutstätten dieser Tiere sowie das Beunruhigen, Zerstören oder Verändern ihres Lebensraumes verboten. …] – dieses Zitat stammt aus dem Artikel auf der Website der Österreichischen Naturschutzjugend: www.oenj.at/naturschutz/projekte/hornissenprojekt/, wo man weitere Informationen zu diesem Thema findet. Darin wird auch beschrieben, dass in Ausnahmefällen sogar eine Übersiedlung des Nestes gemacht wird – meist erfolgreich.
Wir sind nun jedenfalls froh, dass wir diese Gartenwächter bei uns haben – einen Respektsabstand halten wir dennoch ein. Uralte (eingepflanzte) Ängste lassen sich nicht so leicht abschütteln ;-) Aber das Beobachten der Tiere und auch ihrer Artgenossen ist sehr spannend und lehrreich. Wers aushält soll mal einer Wespe beim Wegschlürfen von Safttropfen oder Fleischstückchen zusehen – geht blitzschnell und zeigt, dass diese Fluginsekten genauso wie ihre großen Kollegen eine wichtige Funktion erfüllen: die biologische Müllentsorgung.
2 Comments
Elke Falk
Vielen Dank für diesen Beitrag, ich glaube, er hat gerade ein Hornissennest in OÖ gerettet, das meine Verwandtschaft sonst vernichten hätte lassen!
Wichtig war vor allem der Hinweis, dass das Volk im nächsten Jahr höchstwahrscheinlich nicht mehr unterm gleichen Dach nisten wird und die bestehende Angst vor den Hornissen dadurch nur noch kurz auszuhalten sein wird. Vielleicht hilft auch das von Ihnen vorgeschlagene genaue Beobachten, um diese Angst zu überwinden, zur Zeit ist das diesbezügliche Gefühl noch stärker als das Wissen, dass Hornissen gar nicht so gefährlich sind, wie sie ausschauen.
LG Elke Falk
Michaela Schara
Vielen Dank meinerseits (und im Namen der Hornissen ;), dass ihr das Nest leben habt lassen!
Sie sind natürlich groß und durch ihre optische Ähnlichkeit mit Wespen können sie gefährlich wirken. Aber es sind wunderbare Tiere, die einen schlechten Ruf bekommen haben.
Und ihre Vorteile überwiegen eindeutig.
Alles Gute auch weiterhin und viel Spaß beim Beobachten!