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Diplodia Pinea: Das große Sterben der Föhrenwälder

Die Föhrenwälder, wie man die Kiefern hier bei uns nennt, bestimmen die Landschaft im südlichen Niederösterreich seit vielen hundert Jahren. Als Kind hat man in der Schule gelernt, dass Maria Theresia zusätzlich hier viele Föhrenwälder anpflanzen ließ, um die Bodenerrosion zu stoppen und den Menschen eine wirtschaftliche Grundlage zu geben. Im mageren Steinfeld, dass man auch die Wüste Österreichs nennt, und wo der Schotterboden dominiert, sind die Föhren als genügsame Holzbringer nicht wegzudenken und seit der letzten Eiszeit heimisch. Die Hohe Wand, einer der Wiener Hausberge, kann man sich ohne dichten Kiefernbestand nicht vorstellen.

FannyBockerl2Für unseren Hund Fanny liefern die Föhren das Lieblingsspielzeug: die Bockerln – so nennt man hier die Zapfen der Kiefern. Runde, knubelige Kugeln, denen unser Hundmädchen hinterher jagt, um sie zu fangen und zu zerbeißen. Fichtenzapfen lässt sie links liegen, es müssen Föhrenbockerl sein.
Früher haben wir die Bockerln im Wald und im Garten gesammelt und zum Unterzünden genommen. Wenn ich ein schnelles Feuer im Kamin haben will, sind die Föhrenbockerl ideal dafür geeignet. Und ein Familienspaziergang im Föhrenwald, wo nicht nach kurzer Zeit einer mit dem Bockerlwerfen angefangen hat, war (und ist) nicht denkbar.

PecherhaeferlFür die Menschen hier im Süden Österreichs war es das Pech der Föhren, das für ihr Glück sorgte. Die Pecherei, das Gewinnen des Kieferbaumharzes, war lange Zeit ein wichtiger Industriezweig. Noch heute findet man viele Bäume, die zur Pechgewinnung gedient haben. Die Häferln der Pecher, mit denen sie das Harz aufgefangen haben, liegen auch noch in den Wäldern. Mittlerweile ist die Pecherei so gut wie ausgestorben. Die Harzgewinnung und -verwertung war und ist ein harter Job und es gibt kaum noch Betriebe, die sich damit beschäftigen.
Wer aber einmal einen Kierfernbalsam gegen rauhe Haut, Schrunden und allerlei Wehwehchen genutzt hat, der schwört darauf. Das Harz ist ein natürliches, uraltes Heilmittel und die Pecher damals wussten gut, wie man es einsetzt. Ein Spaziergang im duftenden Föhrenwald beruhigt Körper und Geist und soll sich ganz wunderbar auf das Immunsystem auswirken, ideal bei HNO Problemen.

Als Brennholz ist die Föhre nicht ganz so beliebt, steht sie doch im Verdacht, den Ofen und Kamin zu sehr zu verrußen, da sie eben so intensiv harzt. Aber dafür ist ihr Holz sehr begehrt. Theaterböden aus Föhrenholz knarzen nicht und das Holz ist im Möbelbau ein günstiger und vielseitig einsetzbarer Klassiker.

Die Föhren haben die Landschaft geformt, den Menschen gedient, die Gegend geprägt und sind aus unserer Umgebung nicht wegzudenken.
Doch das kann schon bald der Vergangenheit angehören, denn seit ein paar Jahren sterben die Föhrenwälder.

Warum die Föhren braun werden

brauneFoehren3Die Ursache für die immer mehr werdenden braunen Föhren ist ein Pilz: Diplodia Pinea, auch Sphaeropsis sapinea genannt. Er befällt speziell die Waldkiefern (Pinus Sylvestris) und die in meiner Umgebung besonders stark verbreitete Schwarzkiefer (Pinus Nigra).

Der Grund für das verstärkte Auftreten dieses Pilzes ist nicht ganz klar, man vermutet aber die Witterung der letzten Jahre als Ursache, zusätzlich zu anderen Stressoren, welche die Abwehr der Bäume geschwächt haben. Feuchtwarme Frühlingsmonate und darauffolgende heisse, trockene Sommer, speziell der im Jahr 2015, sind ideal für das rasante Ausbreiten des Plizes. Kommen dann noch Hagelschäden oder Schädigungen durch Frostbrüche (wie im Winter 2014/15), die nicht ausgeschlägert wurden, hinzu, hat der Pilz einen guten Nährboden und kann schneller in die Bäume eindringen.
Das Ausbreiten des Pilzes kann man mittlerweile mit freiem Auge sehen: die Föhrenwälder sind fleckig braun, das satte Grün ist merklich heller, schon von weitem kann man die befallenen Bäume erkennen.

brauneFoehren1Zwar gab es auch früher schon Pilzbefalle, aber die waren mehr auf das Marchfeld beschränkt. Die Kiefern hier bei uns, an der Thermenlinie, sind großteils autochthon – also eingesessene Arten, seit ewigen Zeiten hier heimisch – und sollten dementsprechend robust sein. Bis vor ca. 15 Jahren war das auch noch so. Das Schwarzföhrensterben, dass um 1990 in Österreich vermehrt auftrat, betraf andere Regionen. Das Steinfeld, generell der Alpenostrand, blieb weitgehend verschont.

FoehrenToepferwieseNun aber werden auch bei uns die Wälder braun, die Föhren gehen ein. Sieht man die braunen Nadeln in der Krone, dann ist der Pilz schon sehr aktiv gewesen. Neben der Nadelbräune dringt er auch in den Stamm ein und bei besonders intensivem Befall wird der Stamm innen bläulich. Im Stammquerschnitt sieht man dann ein regelrechtes zackenförmiges Sternmuster, dass von außen nach innen spitz zuläuft. Der Baum stirbt langsam ab.

Die einzige, aktuell bekannte Kur: die betroffenen Bäume fällen.

FoehrenSchlaegerungKuerassier5Zwar gab es auch früher immer wieder Pilze, die die Bäume heimsuchten. Doch das waren Arten, die keinen so nachhaltigen Schaden anrichteten. Die sog. Nadelbräune, die durch einen Pilz namens Dothostroma verursacht wird, ist so gut wie bei allen Föhrenbeständen vorhanden. Aber der Schaden, den dieser Pilz verursacht, ist minimal.

Der Diplodia-Pilz hingegen leistet „ganze Arbeit“ – die Wälder werden braun, die Bäume sterben.

Info Bad Fischau FoehrenpilzDezember bis Februar ist die Hochsaison der Forstarbeiter. Nun wird intensiv Holz gemacht. Und den zahlreichen kleine und großen Waldbesitzern der Region wurde ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft zugestellt, dass sie ihre Wälder auf den Pilzbefall kontrollieren und im Fall des Falles Schlägerungen veranlassen müssen. Am Weg von Bad Fischau-Brunn nach Dreistetten, am sog. Kürassier, kann man das bereits sehen: Teile des Föhrenwaldes nahe dem Blumberg wurden bereits teils sehr rigoros abgeholzt, andere Stellen werden intensiv durchforstet. Ein gewaltiges Unterfangen, das noch einige Zeit andauern wird. Auch in anderen Teilen der Gegend wird geschlägert und man sieht schon einige, nun wesentlich kahlere Hügel in der Landschaft.

FoehrenSchlaegerungKuerassier3Mitschuld an der starken Verbreitung des Pilzes hat vermutlich auch das eher nachlässige Bewirtschaften der zahlreichen kleinen Hauswaldbestände. Früher, als das Holz noch wichtige Lebensgrundlage der ländlichen Bevölkerung war, wurden die Wälder entsprechend bewirtschaftet. Man nahm, was man brauchte, und pflanzte für die kommenden Generationen. Die Föhrenwälder waren Nutzwälder. Heute sind viele Waldabschnitte wirtschaftlich verwaist, der Bestand ist zu dicht, die nachwachsenden Bäumen haben kaum Licht, aber dünne und sehr hohe Stämme, mit viel dornigem Gestrüpp am Boden. Das klingt nach einem idyllischen Urwaldbiotop, ein Rückzugsort für die Tiere. Aber für einen Urwald braucht es eine andere Basis und Bewuchs. Hier sorgt das Vergessen der Wälder eher dafür, dass die Bäume nicht mehr die Kraft haben, gegen Schädlinge und Witterungseinflüsse zu bestehen.
Hinzu kommen dann noch Lagen, wo sich ein Bewirtschaften einfach nicht mehr lohnt und kaum noch machbar ist. Steile Berghänge sind für moderne Forstmaschinen nicht rentabel, für eine „händische“ Schlägerung muss man entsprechend ausgebildet und ausgerüstet sein. Angesehen davon ist das sehr zeit- und kostenintensiv. Also belässt man den Baumbestand wie er ist, übergibt den Wald sich selbst.

FoehrenSchlaegerungKuerassier2Nun aber muss hier zwingend geschlägert werden und das bedeutet dann auch, dass solche Lagen in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr aufgeforstet werden. Es lohnt sich nicht, hier neu zu pflanzen. In weiterer Folge wird hier ein urtümlicher, neuer und gänzlich anderer Wald entstehen. Es werden sich Pionierpflanzen ansiedeln, zuerst die kleinen und dann die schnell wachsende Pionierbäume, wie Espen, Birken, Eschen
Die Schwarzkiefer zählt da nicht dazu. Ob sie sich an diesen Stellen wieder durchsetzen kann, ist fraglich.

Und damit verändert sich die Landschaft, die Umgebung und alles andere. Die Geschichte schließt ein weiteres Kapitel ab, die großen Föhrenwälder weichen einer anderen Baumpopulation. Es wird die Kiefern sicher auch weiterhin geben, vereinzelt, in Mischwäldern und da, wo man sie gezielt anpflanzen und pflegen wird. Aber ich bezweifle, dass es in 30 Jahren noch so große Föhrenbestände wie heute geben wird.

FoehrenSchlaegerungKuerassier1Eine so radikale Veränderung der Landschaft im Industrieviertel gab es übrigens schon einmal. Zu Zeiten, als man hier bei uns den Kalk abgebaut und gebrannt hat, damit man den Löschkalk nach Wien liefern konnte, wo er als Baumaterial dringend gebraucht wurde, waren die Hügel und Berge rundum leer. Ich habe in einem alten Buch ein Bild von der Hohen Wand – ohne Bäume, aber mit blutroten Schlieren. Das waren die Streifen – Ries genannt – wo man das Holz ins Tal gleiten ließ. Der rote, marmorartige Kalkstein wurde durch die Rutschen bloßgelegt, es sieht aus, als würden der Berg aus zahlreichen Risswunden bluten.
Soweit wird es diesmal nicht kommen, aber eine große Veränderung wird es dennoch geben. Auch hat man ja nach dem großen Kalkbrennen die Wälder wieder entsprechend aufgeforstet. Ob man das in dieser Form wieder machen wird. ist mehr als fraglich.

Foehrenpilz Hohe WandMich stimmt diese Aussicht melancholisch. Zwar verstehe ich die Gründe für die großen Schlägerungen. Aber ich habe meine Kindheit in den Föhrenwäldern verbracht, bin mit den Kiefern aufgewachsen – sie waren immer da, das war „mein“ Wald. Wenn ich einen gezeichnet habe, dann war es ein Föhrenwald. Auch als Christbaum haben wir oft eine Föhre gehabt. Nicht zu oft, denn sie galt doch auch als ein bisschen provinziell, bäuerlich – weil eben überall vorhanden.
FoehrenToepferwiese3Das wird sich nun ändern, die Föhre tritt zurück in ihrer Präsenz, wird seltener.
Und ich denke, dass sich damit auch einiges am Charakter unserer Landschaft ändern wird, was immer auch Auswirkungen auf die Menschen hat, die hier leben. Trotz modernem Lebensstil und aller Technik sind wir der Natur noch so weit verbunden, dass wir in einer Smbiose mit den uns umgebenden Pflanzen existierten . Wenn sich der Pflanzenbestand verändert, dann wirkt sich das auch auf uns aus.

Mein kleiner Hund ahnt noch nichts davon. Sie ist glücklich, wenn sie mit uns durch den Föhrenwald läuft und ihre Bockerl jagen kann. Ich hoffe, dass sie das noch lange tun kann und wir mit ihr.

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